Berlin | Rund 16.700 Einsatzkräfte arbeiten im Polizeivollzugsdienst in Berlin und sorgen für die Sicherheit in der Hauptstadt. Hinzu kommen etwa 5.000 Beschäftigte in der Verwaltung sowie dem Zentralen Objektschutz (ZOS) und rund 2.300 befinden sich aktuell in der Polizeiausbildung. Nach der erfolgreichen Ausbildung und Übernahme in die praktischen Dienstbereiche sammeln die jungen Polizistinnen und Polizisten berufspraktische Erfahrungen in den Einsatzeinheiten der Bereitschaftspolizeiabteilungen (BPA) oder auf den Polizeiabschnitten der Polizei Berlin.
Nur wie ist die Arbeit in einer Einsatzhundertschaft (EHu) bei der Polizei Berlin? Wie sieht ein Arbeitsalltag aus und welche Besonderheiten gibt es in der Hauptstadt? Was ist dran an der „Partypolizei“ wie Medien rund um den G20-Gipfel behaupteten?
Diesen und vielen weiteren Fragen sind wir auf den Grund gegangen und bekamen Einblicke in die wahre Arbeit einer Einsatzhundertschaft der Polizei Berlin. SEnews. war exklusiv mit der 31. EHu zum Bundesliga Fußballspiel Hertha BSC vs. Borussia Dortmund im Einsatz und begleitete die Polizistinnen und Polizisten.
Die drei Bereitschaftspolizeiabteilungen (BPA)
Im September 1992 wurden zwei Abteilungen der Berliner Bereitschaftspolizei ins Leben gerufen. Diese rekrutierten sich aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der bis dahin existierenden Einsatzbereitschaften. Seit dem 1. November 2015 gibt es die 3. Bereitschaftspolizeiabteilung. Damit besteht die Bereitschaftspolizei Berlin aus nunmehr 16 Einsatzhundertschaften (EHu) und zwei Technischen Einsatzeinheiten (TEE). Zusätzlich ist bei der 1. Bereitschaftspolizeiabteilung (BPA) die Diensthundeführereinheit (DhfE) angegliedert.
Die Besonderheit der Berliner Bereitschaftspolizei ist es, nicht nur bei größeren Veranstaltungen (Demonstrationen, Kundgebungen, Fußballspiele etc.) eingesetzt zu werden, sondern einen Großteil ihres Dienstes auch der Kriminalitätsbekämpfung und Verkehrsüberwachung zu widmen. Hierbei versehen die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten ihren Dienst in allen Teilen der Hauptstadt und unterstützen die örtlich zuständigen Direktionen bei ihrer täglichen Arbeit.
Zu den weiteren Aufgaben gehört die regelmäßige Unterstützung anderer Bundesländer bei der Bewältigung von besonderen Einsatzlagen, wie z. B. dem G20 Gipfel in Hamburg.
Die rund 1.900 Beamten der Bereitschaftspolizeiabteilungen sind der Direktion Einsatz unterstellt, dessen Chefposten Siegfried-Peter Wulff seit Anfang 2016 innehat. Die Polizeidirektion Einsatz ist mit rund 6.400 Mitarbeitern die personalstärkste Direktion der Polizei Berlin.
Die 31. Einsatzhundertschaft der Polizei Berlin
Es ist Freitagnachmittag und Gruppenführer „Goldi“ empfängt uns in der Liegenschaft der 31. EHu in Alt-Moabit. Vor den Containern und dem deutlich in die Jahre gekommenen Gebäude stehen die Gruppenkraftwagen (GruKw) der Hundertschaft, während auf der gegenüberliegenden Straßenseite das neue Gebäude des Bundesministerium für Inneres (BMI) mit den neuesten Bundespolizei GruKw von Mercedes im vollen Glanze erstrahlt. Ob man da neidisch wird? Auf die Arbeit sicherlich nicht, denn es gibt viele gemeinsame Einsätze mit der BPol, aber modernere Einsatzmittel und Gebäude könnten auch der Polizei Berlin nicht schaden.
Beim Gruppenführer jedoch keinerlei Spur von Neid. Er und seine Einheit freuen sich über den Besuch. „Ist das Du für Euch ok?„, fragt Goldi – und sofort herrscht eine ‚kollegiale Vertrautheit‘. Nach einem kleinen Rundgang durch die Dienststelle geht es zum Hundertschaftsführer. Kurze Vorstellung und Einweisung in den kommenden Einsatz. Die 31. Einsatzhundertschaft ist heute als Eingreifftrupp und Begleitung der Dortmunder Fußballsfans im Einsatz. Bis zum Anpfiff im Olympiastadion sind noch gut viereinhalb Stunden Zeit. Zeit also, sich mit Martin & Morten kennenzulernen. Die beiden Polizeiober- und Polizeimeister arbeiten seit rund vier Jahren in der Hundertschaft. Und das sehr gerne, vorallem auch bei der Polizei Berlin, wie sie uns später veraten werden.
Um 16 Uhr findet die Einsatzbesprechung mit der Einheit im Gemeinschaftsraum statt. Die Wände sind vergilbt und behangen mit ’selbstgebastelten‘ Reliquen. Wir fragen nach, wieso nicht mal gestrichen wird? „Ist aktuell seitens des Dienstherrn nicht vorgehsehen und selber streichen, auch wenn wir die Farbe selber aus privater Tasche kaufen, wurde uns verboten„, erklärt uns ein EHu Angehöriger. Dafür aus eigener Tasche bezahlt ist das Geschenk für einen jungen Kollegen, der gerade Vater wurde. Goldi bittet ihn nach vorne und verkündet erfreut im Namen der Einheit, das man froh ist, dass das Kind optisch nach der Mutter kommt.
Nachdem sich das Gelächter legt, bekommt der stolze Vater eine ‚Pamperstorte‘ überreicht und fragt nach, ob auch die Windelgröße 2 für ihn dabei sei. Nach den zahlreichen Glückwünschen aus der Einheit wird es ruhig und Goldi kommt zu den Fakten des heutigen Einsatzes.
„Das Bundesligaspiel zwischen Hertha und Dortmund ist mit 65.893 Zuschauern fast ausverkauft. Das Spiel gilt als bedingt störanfällig und wir erwarten 6.400 Fans aus Dortmund. Davon gehören einige* in die Kategorie B und mehrere* in die Kategorie C.“ – (Hinweis der Redaktion: *aus einsatztaktischen Gründen können keine genauen Zahlen veröffentlicht werden) -. 15 Reise- und drei Kleinbusse mit Gästefans sind aktuell auf dem Weg nach Berlin. Und wir werden sie in Empfang nehmen und begrüßen. So wie man das als guter Gastgeber macht.“ Dann erklärt der Gruppenführer welche Kräfte sich wo rund um das Olympiastadion sammeln.
„Um 16.45 verlagern wir in den Einsatzraum. Fragen?“
Der Einsatzplan mit den Karten macht die Runde in der Einheit und man spürt, wie jeder sofort weiß was man zu tun hat. Ausrüstung checken, Funkgeräte und Dienstwaffen holen und aufrödeln.
Wir folgen Martin und Morten durch das angeschlagene Gebäude in die Umkleide. Wie aus einer politischen Anfrage vom März 2017 der SPD an den Berliner Senat hervorgeht, herrscht derzeit ein Investitionsbedarf / Sanierungsstau – gemäß Gebäudescan der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) sowie die jeweilige Entwicklung seit April 2014 – für die entsprechenden Gebäude an den Standorten der Bereitschaftspolizei, in Höhe von rund 90 Millionen Euro, so Staatssekretär Torsten Akmann. Nicht mit eingerechnet die Polizeiabschnitte und weitere Gebäude der Polizei Berlin.
„Gerne Dienst in Berlin“
Doch die beiden Polizisten machen sich nicht viel aus den Zahlen. Sie sind stolz seit Jahren Teil der Polizei Berlin zu sein. „Ich habe die Arbeit bei der Polizei lieben gelernt. Mein Vater war schon bei der Polizei, allerdings im ländlichen Bereich als ‚Dorfsheriff‘. Er hat mir immer viel von der Arbeit erzählt und für mich war schnell klar, das auch zu machen. Aber eben nicht auf dem Dorf. Sondern in Berlin. Die Arbeit hier in der Hauptstadt ist fordernd, facettenreich und spannend. Auf die Einheit ist immer Verlass„, erklärt uns Morton. „Ich kann mir nichts anderes mehr vorstellen.“
Anschließend geht es mit der Ausrüstung zum Fahrzeug. Aufrödeln.
Pünkltich um 16.45 Uhr macht sich die Einheit auf den Weg in Richtung Olympiastadion. Der erste Einsatzort und Treffpunkt ist rund um das Stadion am S-Bahnhof.
Modernere Ausrüstung
Während der Fahrt durch den dichten Berufsverkehr bleibt etwas Zeit über die Ausrüstung zu fachsimpeln. „Zu alt„, „nicht einheitlich“ und „weniger funktional“ sind die Schlagworte. So z. B. die ballistischen Einlagen der Weste, rund 15 Jahre alt. Auch die Westenhülle punktet nicht mit wasserabweisenden und strapazierfähigen Obermaterial, oder innen mit Spezial- COOLMAX® Gewebe zur verbesserten Schweißableitung. Besonders in Kombination mit der KSA (Körperschutzausrüstung) kommen die Einsatzkräfte in den heißen Monaten und stundenlangen Einsätzen schnell an die Belastungsgrenze. Wie anstrengend so ein Dauereinsatz sein kann, zeigte der G20-Gipfel, als mehrere Einsatzkräfte mit Kreislaufversagen kolabierten. „Wir trainieren viel und halten uns körperlich fit. Sonst hält man das nicht lange aus„, erklärt Martin. Aber es scheint Besserung in Sicht zu sein. Derzeit läuft ein umfangreicher Trageversuch von neuen Schutzwesten verschiedener Hersteller bei der Polizei.
Die Polizei zwischen den Fans
Am S-Bahnhof ‚Olympiastadion‘ angekommen bleibt noch Zeit für eine Stärkung und Gespräche mit Kollegen anderer Hundertschaften. Neben der 31. sind auch die 21. und die 35. Hundertschaft im Einsatz.
Insgesamt 350 Polizistinnen und Polizisten sind an diesem Abend rund um das Bundesligaspiel im Einsatz. Sie sollen das Aufeinandertreffen verfeindeter Fanlager und gewaltsame Auseinandersetzungen verhindern. Dabei stehen sie genau dazwischen. Egal ob in der Uniform auch Mütter, Väter oder junge Polizisten stecken, die einfach nur ihren Job gut machen und für einen friedlichen Verlauf sorgen wollen. Die Einsatzkräfte dienen oftmals als Ersatzfeind und Zielscheibe für Fans.
Doch zwei Stunden vor dem Anpfiff ist alles ruhig um das Stadion. Erste Fans und Zuschauer versammeln sich, gröhlen herum und trinken sich ‚warm‘. Zeit um den Einsatzraum zu bestreifen und Ausschau zu halten nach Krawallmachern. Bislang keine Feststellungen.
Auch im Stadion ist noch alles ruhig. Martin und Morton lassen die beindruckende Kulisse auf sich wirken. Das Olympiastadion Berlin ist die Heimstätte von Hertha BSC. Seit 1985 ist es jährlicher Austragungsort des DFB-Pokalfinales, bis einschließlich zum Jahr 2009 trugen auch die DFB-Pokal Frauenmannschaften hier ihr Endspiel aus. Jährlich findet im Olympiastadion das Internationale Stadionfest (ISTAF) sowie das World Championat im Feuerwerk, die Pyronale, oder die größten Konzerte statt.
Während der Winterpause wurde im Olympiastadion eine neue Zugangskontrolltechnik eingebaut. Neben der Installation von neuen Leseköpfen wurden die Zugangsmöglichkeiten auf insgesamt 138 Terminals ausgebaut. Die neue Technik liest nicht nur konventionelle Tickets mit Barcode: Auch alle weiteren denkbaren Varianten wie Handytickets oder Tickets aus dem heimischen Drucker sind nun möglich. „Unser Ziel ist ein optimaler Service für unsere Veranstalter und unsere Besucher. Und den können Hertha BSC und unsere Konzertveranstalter beim Ticketing nun schon am Computer zu Hause oder auf dem Smartphone bieten“, so Timo Rohwedder, Geschäftsführer der Olympiastadion Berlin GmbH. Im Frühjahr soll die komplette Beschallungsanlage auf den neuesten Stand der Technik gebracht und im Sommer eine dritte Videowand auf der Südseite installiert werden. Die beiden vorhandenen Screens werden komplett modernisiert.
Doch ob die Gästefans die neue Zugangskontrolltechnik tatsächlich nutzen werden ist zunächst ungewiss. Es ist mittlerweile 20 Uhr und die Reisebusse aus Dortmund noch nicht da. „Das könnte bis zum Anpfiff eng werden. Erfahrungsgemäß drängen sich die Fans geschlossen durch die Einlasskontrollen. Auch um so in der Eile verbotene Pyrotechnik ins Stadion zu bringen„, erklärt Goldi.
Kurze Zeit später geht alles ganz schnell. Gruppenführer Goldi erhält den Funkspruch das die Busse gerade in die Straße zum Stadion einbiegen.
Nach einer letzten kurzen Einweisung bringt sich der Zug der EHu in Formation und marschiert schnellen Schrittes zum Parkplatz der Fanbusse.
„Wir werden den Fanmarsch zum Stadion abgesetzt begleiten, um nicht zu provozieren. Anschließend begleiten wir sie ins Stadtion„, sagt Goldi.
Der Zug der 31. EHu ist auch gleichzeitig als Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) zuständig. Sollte es zu Störungen kommen, greifen die BFE Kräfte gezielt ein und ziehen die Störer aus der Gruppe heraus. Der Fanmarsch verläuft aufgrund der Deeskaltionsstrategie der Polizeiführung aber störungsfrei. Am Eingang angekommen spitzt sich die Situation zu, als die Gästefans versuchen ohne Kontrolle ins Olympiastadion zu kommen. Es ist bereits 20.30 Uhr und der Anstoss des Fußballpartie erfolgte bereits.
Behelmt bringen sich Martins und Mortens Kollegen zusammen mit einer weiteren Hundertschaft an den Einlasskontrollen in Stellung.
Mit gut 15 Minuten Verspätung haben es auch die angereisten Dortmundfans ins Olympiastadion geschafft und können das Spiel schauen. Währenddessen wird es in der Hundertschaft wieder ruhiger und auch die Einsatzkräfte können die erste Halbzeit ohne Helm und Auseinandersetzung verfolgen.
Zum Halbzeitpfiff wird aus dem Stadion raus verlagert. Das polizeiliche Gegenüber im Auge behalten. Und als ob es die Polizisten geahnt hätten, die zweite Halbzeit wird mit einer Pyroshow anlässlich des 15-jährigen Bestehens der Ultras von den Sconvolts Dortmund, die sich aus Fans verschiedener Dortmunder Ultràgruppen zusammensetzt, eingestimmt.
In dem Gästeblock wird Rauch und Bengalische Fackeln in den Farben Grün, Gelb und Rot gezündet.
Kräfte der 31. EHu beziehen Stellung auf den Treppen des Blocks und dokumentieren. Anschließend können vereinzelte mutmaßliche Krawallmacher aus dem Verkehr gezogen werden.
Bilanz des Abends: Keine Beamten oder Zuschauer verletzt. Insgesamt acht Verstöße wegen u. a. Vermummung, Abbrennen von Pyrotechnik, Verstoß gegen das BTM Gesetz, Körperverletzung sowie Hausfriedensbruch.
Sechs Personen wurden vorläufig festgenommen.
Martin und Morten freuen sich nach dem Einsatz auf ihren Feierabend. „Meine Frau und kleine Tochter warten Zuhause auf mich„, sagt Morten. Martin steckt gerade in den Vorbereitungen für die geplante Super-Bowl Party mit Kollegen und überlegt noch in der Nacht das Badezimmer zu putzen.
[ads2]Trotz geringfügigerer Bezahlung ihrer Kollegen in anderen Bundesländern, der nicht so moderneren Ausrüstung sind die beiden Polizisten stolz ihren Teil zur Sicherheit in der Hauptstadt beitragen zu können. Beide wünschen sich mehr Respekt und Annerkennung durch die Bevölkerung und Politik. Gleichzeitig wollen sie auch andere junge Menschen annimieren, Teil der Polizeifamilie in Berlin zu werden. „Wir mussten uns damals alle Informationen rund um den Polizeiberuf mühselig zusammentragen, heute kann man sich auf der Webseite der Polizei Berlin umfassend informieren und es gibt viele Termine zur Berufsberatung.“
Wenn auch Du zur Polizei möchtest, findest Du alle Informationen auf der Webseite der Polizei Berlin.