Spektakuläre Fälle eines SEK-Polizisten
Geiselnahmen, Entführungen, Erpressungen: Heikle Einsätze waren Alltag für Emil Pallay, Leiter einer Polizei-Spezialeinheit. Jetzt schildert er erstmals seine spektakulärsten Fälle. Er erzählt, mit welchen Tricks man versucht, Geiseln gewaltlos zu befreien, wie ein Überraschungsangriff funktioniert, was Menschen dazu bringt, zu Geiselnehmern zu werden, aber auch, wie es sich anfühlt, auf einen Menschen schießen zu müssen, um andere zu retten. Hautnah erzählt, Nervenkitzel pur!
Über den Autor
Emil Pallay, Jahrgang 1950, war 43 Jahre lang im Polizeidienst tätig, 20 davon beim Spezialeinsatzkommando (SEK) Südbayern. Neben annähernd 1000 Einsätzen zur Bekämpfung schwerer Gewaltkriminalität insbesondere bei Entführungen, Erpressungen, organisierter Kriminalität und Terrorismus, war er an der Bewältigung von über 30 Geiselnahmen beteiligt. Er berät europaweit Spezialeinsatzkommandos, hält Vorträge und Seminare. Emil Pallay lebt in München.
1. Herr Pallay, Sie waren 43 Jahre im Polizeidienst in Bayern tätig, viele unserer Besucher wollen zur Polizei, oder sind dort bereits. Was hat Sie persönlich bewegt zur Polizei zu gehen?
Emil Pallay:In der 4. Klasse Volksschule musste ich einen Aufsatz mit dem Thema „Was will ich werden?“ schreiben. Ich schrieb: „Ich will Polizei werden.“ Grammatikalisch zwar ein Fehler, aber letztendlich blieb ich bei meinem Berufswunsch. Ich glaube, meine Wesensart mit den Faktoren Gerechtigkeitssinn, Geradlinigkeit und Sportbegeisterung haben mich zu diesem Beruf hingeführt.
2. Sie waren 20 Jahre beim Spezialeinsatzkommando (SEK) Südbayern. Wieso haben Sie sich für den Dienst in einer Spezialeinheit entschieden? Idealismus?
Emil Pallay:1977 nach der Ausbildung für den gehobenen Polizeidienst empfahl mir der damalige Vorsitzende des SV Funkstreife München den Dienst beim SEK Südbayern. Ich war vorher schon in der allgemeinen Kriminalitätsbekämpfung eingesetzt und es war für mich eine Herausforderung, künftig die schwere Gewaltkriminalität zu bekämpfen.
3. Was gehörte zu Ihren Aufgaben bevor Sie Leiter bei den Spezialeinheiten wurden?
Emil Pallay:Nach der Ausbildung bei der Bayerischen Bereitschaftspolizei kam ich zu einer Einsatzhundertschaft in München. Nach einem Jahr verrichtete ich meinen Dienst bei einer Polizeiinspektion. Schwerpunktmäßig fuhr ich mit meinem Partner zur Nachtzeit Zivilstreife mit dem Ziel, Verbrecher auf frischer Tat zu ertappen und festzunehmen. Nach zwei Jahren wurde ich Gruppenführer bei einer Einsatzhundertschaft in München. Anschließend absolvierte ich zwei Jahre die Beamtenfachhochschule. Für drei Monate wurde ich als Dienstgruppenleiter auf einer Polizeiinspektion eingesetzt. Als junger Kommissar übernahm ich für drei Jahre eine Gruppe beim SEK Südbayern. Danach wurde ich Ausbildungsleiter. Nach vier Jahren bekam ich die Stelle als Leiter einer Spezialeinheit. Von 1986 bis 1998 leitete ich die Einheit der Präzisionsschützen, verbunden mit der Funktion als stellvertretender Kommandoführer des SEK Südbayern.
4. Beim diesjährigen Spezialeinheiten-Vergleichswettkampf „Phoenix“ in Dortmund, wurde das SEK Südbayern Dritter. Was macht Sie stolz zu so einer spitzen Leistung Ihrer damaligen Kollegen?
Emil Pallay:Es freut mich besonders, dass das Leistungsniveau des SEK Südbayern seit dem Gründungsjahr 1973 permanent aufrecht erhalten werden konnte. Gratulation für den hervorragenden 3. Platz. Schon 1983 erzielten wir beim CTC, eine inoffizielle Weltmeisterschaft für Spezialeinheiten der Polizeien, den 1. Platz. Veranstalter war damals die GSG 9. Auch in den darauf folgenden Jahren belegte das SEK Südbayern immer wieder Spitzenplätze.
5. Kennen Sie Angst? Wenn ja, wie gingen Sie damit um?
Emil Pallay:Ja! Im Einsatz verdrängt man die Angst, bestärkt durch die gute Ausbildung und dem Vorteil des Überraschungsmoments beim Zugriff. Privat habe ich manchmal Angst zu erkranken, wie meine Frau, die vor zweieinhalb Jahren an Krebs verstarb. Genauso habe ich Angst, dass meinen Kindern, meiner zweiten Frau und meinen Freunden etwas passieren könnte. Diese Angst ist aber nicht permanent präsent, sonst würde man schon daran erkranken.
6. Wie haben Sie selbst die Einsätze beim Spezialeinsatzkommando erlebt?
Emil Pallay:Mit großer Spannung und Anspannung. Das A und O ist die gute Vorbereitung mit einem hervorragenden Team, auf das man sich immer verlassen konnte.
7. Fühlt man sich nach einer Festnahme eines Verdächtigen gut?
Emil Pallay:Ich meine schon, vor allem wenn man davon ausgehen kann, dass der Verdächtige letztendlich auch der Täter ist und somit der Tat überführt werden kann.
8. Unsere Leser fragen oft, was machen die SEK Beamten, wenn sie keine Einsätze haben?
Emil Pallay:Die Einsätze werden nicht weniger, eher mehr. Aber zwischendrin braucht man die Zeit für die intensive Aus- und Fortbildung, insbesondere im taktischen Bereich. Auch die Nachbereitung schwieriger Einsätze braucht seine Zeit. Einblicke in gruppendynamische Prozesse stehen da im Vordergrund. Natürlich darf auch die Aufrechterhaltung der körperlichen Fitness nicht zu kurz kommen.
9. Welche Voraussetzungen müssen Polizeibeamte, außer den sportlichen Anforderungen im EAV, für die Verwendung in einer Spezialeinheit mitbringen?
Emil Pallay:Wichtig ist die Bereitschaft, in einem Team arbeiten zu wollen. Dazu ist ein Einordnungsvermögen unumgänglich. Abenteuerlust oder falsches Heldentum sind fehl am Platz. James Bond ist nur im Film gefragt.
Weitere Voraussetzungen sind:
– Charakterliche Eignung
– Besonnenheit
– Entschlossenheit
– Hohe Einsatzbereitschaft
– Stressstabilität
– Geistige und körperliche Reaktionsschnelligkeit
– Risikobereitschaft
Die Beamten sollten auch mehrjährige Einzeldiensterfahrung mitbringen.
10. Was würden Sie persönlich unseren Lesern empfehlen?
Emil Pallay: Wie gesagt, wichtig ist das zuverlässige Arbeiten im Team. Besserwisserei ist fehl am Platz. Die Bewerber sollten auch nicht zu jung sein, wobei es Einstellungskriterien gibt; in Bayern ab dem 24. Lebensjahr. Eine gewisse Erfahrung im Polizeidienst ist Voraussetzung.
11. Wie extrem sind die Trainings des Spezialeinsatzkommandos?
Emil Pallay: Für Bewerber, welche die Einstellungshürde übersprungen haben, sind die künftigen Aus- und Fortbildungsinhalte gut zu bewältigen. Man erfährt ja durch die unterschiedlichen Trainings eine Leistungssteigerung. Nur selten scheitern SEK-Kräfte an der physischen und psychischen Belastung. Vereinzelt liegt es an zwischenmenschlichen Beziehungen, die es notwendig machen, den Beamten auf eine andere Dienststelle zu versetzen.
12. Am 10. Dezember 2012 erscheint Ihr Buch mit dem Titel „Zugriff | Aus dem Leben eines SEK-Manns“. Was hat Sie bewegt ein Buch zu schreiben?
Emil Pallay: In erster Linie war es die Fülle an Erlebnissen bei unzähligen spektakulären Einsätzen. Aber auch die Darstellung, dass SEK-Beamte keine Übermenschen sind und auch nur mit „Wasser gekocht wird“, war mir wichtig. Nicht wenige Kollegen, auch aus dem Führungskreis des Polizeipräsidiums München, inspirierten mich mit den Worten „Das musst Du schreiben, das hat ja kaum einer erlebt!“ Ich wollte aber auch für mich noch einmal die schweren Einsätze aufarbeiten. Und die schriftliche Niederlegung der Erlebnisse und Ereignisse tat mir gut. Hinzu kommt, dass mir „Schreiben“ nicht fremd war. Ich publizierte bereits in der Broschüre „Münchner Polizei“ mit den Artikeln
– Sport beim Spezialeinsatzkommando München
– SEK-Olympiade
– Belastungsmarsch einer Spezialeinheit – oder Tipps zum Wochenende
Auch ein ehemaliger Lehrer und Schuldirektor beeinflusste mich diesbezüglich positiv.
13. Und wie ist das Leben eines SEK-Manns?
Emil Pallay:Das Leben eines SEK-Mannes ist spannend und interessant, allerdings nicht ganz ungefährlich. Man braucht schon viel Idealismus um rund um die Uhr, ggf. auch im Urlaub für die Dienststelle da zu sein. Erfolgreiche Einsätze, und das waren die meisten, erfüllten mich mit Stolz und Freude. Aber auch die tägliche Arbeit mit einem guten, zuverlässigen Team und starken Vorgesetzten gab mir über zwanzig Jahre Kraft und Zuversicht. Deshalb habe ich auch über so manchen Spaß im Kommando berichtet, um das ganz normale Leben eines SEK-Beamten zu veranschaulichen.
14. Die Leser Ihres Buches erfahren z.B. mit welchen „Tricks“ versucht wird Geiseln gewaltlos zu befreien. Sollte so etwas nicht geheim bleiben?
Emil Pallay:Ich meine, ich bin in dem Buch auf echte Dienstgeheimnisse nicht eingegangen. Aber wenn wir mit einem simplen Ablenkungsmanöver zum Erfolg kamen, dann verrate ich nicht allzu viel. Technische und detaillierte taktische Varianten der Zugriffskräfte habe ich sowieso nicht beschrieben. Außerdem ist in fast jedem Krimi das SEK präsent und zeigt so manches, über das ich gar nicht geschrieben habe. Der Unterschied liegt darin, dass meine Erlebnisse tatsächlich passierten, wobei ich Namen und Örtlichkeiten veränderte.
15. Was glauben Sie führt dazu das Menschen zu Geiselnehmern werden?
Emil Pallay:Die meisten Straftäter haben bei der Ausführung ihrer Tat eine Geiselnahme gar nicht geplant. Sie geraten manchmal in eine ausweglose Situation und glauben, mit einer Geiselnahme zum Erfolg zu kommen, bzw. unerkannt flüchten zu können. Diese Rechnung ging während meiner SEK-Zugehörigkeit nicht auf. Diejenigen, die von vornherein eine Geiselnahme durchziehen bemächtigen sich Geiseln, um die Polizei, bzw. den Staat mit Forderungen zu erpressen. Dazu gehört natürlich eine hohe kriminelle Energie. Aber auch diese Geiselnehmer scheiterten letztendlich.
16. Als was sehen Sie Ihr Buch? Eine Art Krimi aus dem Alltag?
Emil Pallay:Wenn die Leser meine geschilderten Fälle wie einen spannenden Krimi empfinden, dann ist das gut. Tatsache ist, dass die Erlebnisberichte echt sind und aus der Feder eines ehemaligen SEK-Mannes stammen. Vielleicht kann ich dadurch eine Informationslücke schließen.
17. Und wem empfehlen Sie sich das Buch zu kaufen?
Emil Pallay:Genau denjenigen, die Interesse über die geheimnisumwitterten SEK-Beamten und deren Einsätze zeigen. Schlichtweg empfehle ich jedem, das Buch zu lesen. Spannung ist garantiert.
18. In Ihrem Buch schreiben Sie, dass Sie in den 20 Jahren bei annähernd 1.000 Einsätzen dabei waren, was war Ihr schönstes Erlebnis im Dienst?
Emil Pallay:Bei den ca. 1000 Einsätzen zählten nicht alle zur Bekämpfung der schwersten Gewaltkriminalität. Häufig ging es um Festnahmen von mutmaßlich bewaffneten Einzeltätern. In meiner Zeit waren wir auch bei problematischen Demonstrationen und Fußballspielen eingesetzt. Zahlreiche Überwachungseinsätze ergänzten die Palette. Die „schönsten“, wenn auch schwierigsten Einsätze waren diejenigen, bei denen es uns gelang, Geiseln unverletzt zu befreien und den Täter festzunehmen. Ein Mädchen schrieb uns nach einer Befreiung aus der Hand eines bewaffneten Geiselnehmers: „Leute, ihr wisst ja gar nicht, wie froh ich bin, dass es Euch gibt! Wenn ich könnte, würde ich Euch alle umarmen!“ Am Rande sei erwähnt, dass es auch schön ist, wenn die harte Arbeit mit einer Beförderung belohnt wird – und ich wurde in der Zeit beim SEK fünfmal befördert.
19. …und was war der Schlimmste welches Sie im Dienst hatten?
Emil Pallay:Eindeutig waren es diejenigen Einsätze, bei denen ich von der Schusswaffe Gebrauch machen musste.
20. Sie beraten europaweit Spezialeinsatzkommandos und halten Vorträge. Was geben Sie Ihren Seminarteilnehmern mit auf den Weg?
Emil Pallay: In den europäischen Polizeien gilt die Prämisse „Verhandeln, Verhandeln und nochmals Verhandeln!“ Sollten die Verhandlungen scheitern, ist die Spezialeinheit am Zug. Das wissen aber alle Polizeiführer. Entscheidend sind für den Einsatz der SEK-Kräfte der Ausbildungsstand und ein homogenes, zuverlässiges Zugriffsteam. Da muss eben die „Chemie“ untereinander stimmen. Das hat nichts mit Kameraderie zu tun, sondern mit dem Bewusstsein, dass sich jeder auf den anderen verlassen kann und natürlich auch Anordnungen der Vorgesetzten voll mitgetragen werden. Darüber berichtete ich im Zusammenhang mit der taktischen Vorgehensweise beim Zugriff auf Gewaltverbrecher. Einsatzbeispiele gab es ja genügend. Bei meinen Vorträgen im europäischen Osten stellte ich schon manchmal fest, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, dass noch ein Nachholbedarf im Aus- und Fortbildungsbereich besteht.
21. Was möchten Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben?
Emil Pallay: Lesen Sie das Buch und Sie werden dann mehr über die „geheimen“ Polizisten und Einsätze wissen.