Koblenz/Anhausen – Es war ein Routineeinsatz mit tödlichem Ausgang: Bei einer Durchsuchungsaktion im Zuge von Ermittlungen im Westerwälder Rotlichtmilieu wurde am 17. März vergangenen Jahres in Anhausen (Kreis Neuwied) der 42-jährige SEK-Beamte Manuel K. (POK – im SEK Rheinland-Pfalz) erschossen. Seit Mitte September 2010 läuft vor dem Landgericht Koblenz der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter, ein Mitglied der Rockerbande ‚Hells Angels‘.
Die Anklage lautete auf Mord aus niedrigen Beweggründen. Nach fünf Monaten neigt sich der Prozess nun seinem Ende zu: Wie Richter Ralf Bock gestern (16.02.2011) mitteilte, soll das Urteil am 28. Februar gesprochen werden. Auch hatte der Richter bereits im Laufe des Verfahrens den rechtlichen Hinweis gegeben, dass statt Mordes auch eine Verurteilung wegen Totschlags infrage kommen könnte.
Am Tattag hatte die Polizei das Einfamilienhaus des Angeklagten in Anhausen durchsuchen wollen. Während zwei Beamte gerade dabei waren, die Haustür von außen zu öffnen, passierte das Unerwartete: Durch die geschlossene Tür fielen zwei Schüsse, eine der Kugeln drang seitlich unter der Schutzweste in den Oberkörper des 42 Jahre alten SEK-Beamten ein und durchschlug beide Lungenflügel und das Herz, so dass er verblutete.
Der Prozess in Koblenz hatte Mitte September unter hohen Sicherheitsvorkehrungen begonnen. Alle Besucher des Gerichts mussten Leibesvisitationen über sich ergehen lassen. Im Zuschauerraum saßen dann zum Auftakt allerdings nur fünf Männer, die sich durch ihre Kutten als Mitglieder der ‚Hells Angels‘ zu erkennen gaben.
Der Angeklagte selbst erschien mit gepflegtem Aussehen und höflichem Auftreten vor Gericht. An seinem Erscheinungsbild wollte nichts an das klischeehafte Aussehen eines Rockers erinnern. Über einen seiner beiden Anwälte ließ der 44-Jährige zunächst ausrichten, dass er sich nicht zu den Vorwürfen äußern wolle. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Angeklagte gezielt auf den Beamten geschossen hat.
Anfang Oktober dann die überraschende Wende: Der 44-Jährige gab zu, zweimal von innen auf die geschlossene Haustür geschossen zu haben. Und er lieferte auch eine Erklärung ab: Er habe sich vom rivalisierenden Rockerclub ‚Bandidos‘ bedroht gefühlt und habe angenommen, dass ein ‚Bandido‘ vor der Türe stehe. Dass es tatsächlich ein Polizist war, habe er nicht geahnt.
Vor Gericht wurde anschließend ein ehemaliges Mitglied der ‚Bandidos‘ als Zeuge vernommen. Dieser bestätigte die Bedrohungssituation. Er habe den Hinweis erhalten, dass einer der ‚Bandidos‘ angekündigt habe, ‚Engel ausknipsen‘ zu wollen.
Die Hauptkritik der Verteidigung konzentrierte sich während der gesamten Verhandlung auf die Frage, ob der Einsatz des SEK nicht überzogen war. ‚Hätten normale Streifenpolizisten an der Tür geklingelt, wäre wahrscheinlich nichts passiert‘, erklärte einer der Verteidiger.
Ein hoher SEK-Beamter rechtfertigte den Einsatz: Der Verdächtigte sei Waffenträger und Mitglied bei den ‚Hells Angels‘ gewesen. Zudem seien Telefongespräche abgehört worden, in denen er eine Gewaltbereitschaft signalisiert habe. Der Beamte verwies dabei auf eine ihm auferlegte ‚beschränkte Aussagegenehmigung‘, was die Verteidigung wiederum als ‚Versteckspiel‘ kritisierte.
Gestern verlas der Rechtsanwalt eine Erklärung seines Mandanten zu den drei Erpressungsvorwürfen. Darin erklärte er alle drei Fälle aus seiner Sicht: Tätowierer C. habe Schulden bei den Hells Angels gehabt, und B. habe ihn lediglich darauf hingewiesen, dass er diese zügig zurückzahlen soll. Die Forderung der Fitnessstudio-Beteiberin gegenüber seiner Bekannten habe er als „Abzocke“ betrachtet, sich aber dennoch lediglich mit ihr unterhalten, um eine Lösung zu finden. Und die Vorgänge auf dem Wohnwagenstellplatz der Prostituierten hätten ihn nie interessiert, bis die Freundin eines Clubfreundes persönlich betroffen war. Daraufhin habe er der vermeintlich Erpressten gesagt, dass sie keinen Ärger machen solle. Insgesamt wies B. alle Vorwürfe zurück, Nachfragen des Staatsanwaltes wollte er nicht beantworten.
Nicht viel sagen wollte er auch zu den Verletzungen, die ihm im Zuge der Festnahme widerfahren sind und die bei der Aufnahme in der JVA Trier festgestellt wurden. Anwalt Böhm führte aus, dass er sich lediglich über ein Hämatom am Geschlechtsteil beklage, dass ihm ein SEK-Beamter bei der Visitation zugefügt habe.
Ansonsten sagte gestern ein Gutachter aus, dass er bei dem Angeklagten keinerlei Anhaltspunkte für eine psychische Störung feststellen konnte. Die vorangegangenen Einbrüche in sein Haus mögen Befürchtungen geweckt und bei den Ereignissen am 17. März eine Rolle gespielt haben. „Panische Angst“ habe B. aber nicht gehabt.
Mit Spannung wird das Urteil am 28.02.2011 erwartet.