Bei der Festnahme der Sauerland-Terroristen entkam ein Verdächtiger beinahe. Nun stellt sich heraus, warum. Die Erklärung ist für die Elite-Einheit GSG 9 eher peinlich.
Wie zwei Beamte der Spezialeinsatzgruppe GSG 9 am Dienstag im Prozess gegen die Gruppe vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf aussagten, gelang es ihnen bei dem Zugriff in einem Ferienhaus im Sauerland nicht, den flüchtenden Angeklagten Daniel Schneider in dem engen und überschaubaren Gartenstück des Ferienhauses festzusetzen.Schneider lief nur wenige Meter von den beiden mit Maschinenpistolen bewaffneten Polizisten entfernt durch den von Mülltonnen, Holzzäunen und Holzschuppen beengten Garten des Ferienhauses und entkam durch einen Sprung über einen niedrigen Holzzaun. Der mutmaßliche Islamist war nur Sekunden nach dem Zugriff aus einem Badezimmerfenster gesprungen. Die zwei mit Overall, Schutzhelm, Schutzweste, Pistole und Maschinenpistole ausgerüsteten GSG-9-Beamten sollten die Rückseite des Hauses sichern. Einer der Polizisten kam nach eigener Aussage aber erst um die Hausecke, als Schneider bereits barfuß auf dem Rasen stand.
Als er Schneider entdeckte, strauchelte der Spezialeinsatzkommando-Beamte bei dem Versuch, den vor ihm vorbeilaufenden Flüchtenden zu fassen. Sein Kollege gab hingegen vor Gericht an, der Kollege sei hingefallen. Er habe daraufhin die Verfolgung aufgenommen, es aber nicht geschafft, den flachen Zaun rechtzeitig zu überwinden und S. zu stellen. Wegen der schweren Ausrüstung hätte „das Überwinden des Zauns zu viel Zeit gekostet“.
Ahnungsloser Nachbar
Die niedrige Höhe des Zaunes wurde im Verhandlungssaal auf einem Polizeifoto dokumentiert. „Ich konnte nur seine Hose fassen“, sagte der Polizeibeamte in der Verhandlung. Unmittelbar danach habe er den Angeklagten im Nachbargarten aus den Augen verloren. „Ich habe den Nachbarn, der auf dem Balkon stand, gefragt, ob er was gesehen hat“, sagte der zweite GSG-9-Beamte aus. Aber auch der unfreiwillige Zeuge des Geschehens habe ihm nicht weiterhelfen können.
Wie bereits im vergangenen Jahr in der Verhandlung bekannt geworden war, hatte Schneider bei seiner Flucht außerdem einen weiteren Absperrring des Mobilen Einsatzkommandos der Polizei in größerer Entfernung zum Ferienhaus durchbrochen. Die dortigen Beamten waren wegen fehlenden Funkkontakts zu ihren Kollegen völlig überrascht. Einem Beamten gelang es schließlich, Schneider zu Boden zu bringen. Im Gerangel der beiden löste sich mindestens ein Schuss. Schneider muss sich deswegen auch wegen versuchten Mordes vor Gericht verantworten. Er bestreitet, absichtlich geschossen zu haben. Erst mit Hilfe weiterer Polizisten wurde der heute 24-jährige Saarländer endgültig überwältigt.
Die vier im Sauerland-Prozess angeklagten Männer im Alter von 24 bis 31 Jahren sollen im Namen der Terrororganisation Islamische Dschihad-Union (IJU) Sprengstoffanschläge in Deutschland geplant haben. Dazu hatten sie sich in das Ferienhaus im Sauerland zurückgezogen.