Berlin – Friedrichshain im Ausnahmezustand: Die Polizei steht bei der Räumung des besetzten Hauses Liebigstraße 14 massiven Protesten und Krawallen gegenüber. Rund 1500 Demonstranten sind auf den Straßen. Denen gegenüber stehen mehrere Spezialeinsatzkommandos (SEK), Hundertschaften der Polizei und der Bundespolizei mit ca. 1000 – 1500 Beamten.
Seit ca. 05:25Uhr dringt laute Musik aus dem Haus, Spezialkräfte der Polizei haben umliegende Häuserdächer besetzt und gegen ca. 08:00Uhr hat die Räumung begonnen. Die Polizei schlug eine Scheibe im Erdgeschoss ein und versuchte in das Haus zu gelangen. Aufgrund der massiven Widerstände und Blockaden gegen die Polizeikräfte gestaltet sich die Räumung sehr schwierig.
Weil es vom Erdgeschoss durch die Blockade kein Durchkommen gab, ist die Polizei nun vom Dach in das Haus Liebigstraße 14 eingedrungen und arbeitet sich nach unten. Das Haus ist verbarrikadiert. Fenster sind zugenagelt und Balkons mit Stacheldraht umzäunt. Auf Plakaten an der Hausfront hieß es „Sich fügen heißt lügen“ und „Räumung stoppen“.
Die Rigaer Straße ist zwischen Proskauer Straße und Bersarinplatz komplett mit Gittern gesperrt, die Liebigstraße bis zur Eldenar Straße. Nur Anwohner dürften die vier Kontrollpunkte passieren, sagte ein Polizeisprecher. Auf den „Dortplatz“ (Kreuzung Rigaer/Liebig) kommt niemand mehr außer der Polizei. Es hat drei Festnahmen wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte gegeben. Auch die Presse und Fotografen müssen hinter die Absperrungen.
Polizeibeamte wurden mit Flaschen und Steinen beworfen und es gab Verletzte. Auch Berlins Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers nimmt an der Räumung der Liebigstraße 14 teil – im Einsatzanzug und mit Helm.
Seit ca. 08:30 Uhr ist auf der Straße statt Musikbeschallung ein durchdringender Sirenenton zu hören. In den Fenstern mehrerer angrenzender Häuser protestieren Gegner der Räumung – unter anderem, indem sie auf Töpfe und Pfannen schlagen. Es kommt immer wieder zu massiven Protesten und Angriffen auf Polizeibeamte. Auf der Kreuzung Frankfurter Allee / Tor, sowie in vielen anderen Straßen Friedrichshains kommt es zu durch äußerst aggresive Demonstranten zu spontan Demos und Übergriffen gegen Polizeibeamte.
Auch verängstigte Anwohner trauen sich aufgrund der Gewalt der Autonomen nicht auf die Straße.
+ + + HINTERGRUND Liebig-14 + + +
Das Haus: Im Jahr 1990 wurde das leer stehende und heruntergekommene Haus besetzt. Später erhielten die Besetzer Mietverträge. Vor zwei jahren dann wechselte das Gebäude nach der Privatisierung der Wohnungsbaugesellschaft den Besitzer. Die neuen Eigentümer planten eine umfassende Sanierung und kündigten die Mietverträge, auch, weil die Bewohner den Zugang zu den Wohnungen verweigerten. Die betroffenen Mieter zogen vor Gericht, das zuständige Bezirksamt suchte nach Ersatzwohnraum. Angeboten wurde den 25 Bewohnern – einige leben nach eigenen Angaben seit acht Jahren in dem Haus, andere seit zwei Monaten – ein Haus in Weißensee. Das aber lehnten die vormaligen Mieter der Liebigstraße 14 ab.
Die Besetzer waren am Dienstag mit dem Versuch gescheitert, die Räumung in letzter Minute per Gerichtsentscheid zu verhindern. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hatte die Besetzer zu einem friedlichen Rückzug aufgefordert. Die Polizei wolle keine Eskalation.
+ + + AUSSCHREITUNGEN IM VORFELD + + +
Die linke Szene machte seit Tagen mit Demonstrationen und Aktionen gegen die Räumung des Hauses mobil. Bereits am vergangenen Samstag gab es bei einer Demonstration linker Gruppen gegen die Räumung Ausschreitungen, bei denen 40 Polizisten verletzt wurden. In der Nacht zum heutigen Mittwoch brannten vier Autos in Berlin. Ob es Zusammenhänge gibt, wird derzeit geprüft.