Mit einem Festakt wurde der Bundeskongress am Montagmittag eröffnet. In seiner Rede kritisierte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den jahrelangen Personalabbau bei den Sicherheitsbehörden in Deutschland und forderte eine Stärkung von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten.
„Innere Sicherheit und Polizei stehen derzeit so oft in der öffentlichen Aufmerksamkeit, wie lange nicht mehr. Nicht zuletzt die einzelnen Beamtinnen und Beamten. Umso wichtiger ist eine starke Gewerkschaft der Polizei. Und umso dankbarer bin ich, heute die Gelegenheit zu haben, bei Ihnen zu sein. Gewerkschaften gehören zu den wichtigsten Stiftern unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts. Dafür gebührt Ihnen Anerkennung und Dank. Diesen Dank möchte ich Ihnen als Ihr Bundespräsident heute aussprechen. Danke für Ihre Arbeit im Namen der Demokratie!„, sagte Steinmeier in seiner Rede.
„Regelverstöße, die erst nach Monaten, Jahren oder überhaupt nicht sanktioniert werden, haben die Reputation unserer Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden in Teilen der Bevölkerung beschädigt„, so der Bundespräsident in Berlin.
BKA-Chef Holger Münch hätte gegenüber Steinmeier neulich im Gespräch so formuliert:
„Wir haben eine der besten Polizeilichen Kriminalstatistiken seit Jahren, aber eine gefühlte Unsicherheit der Bevölkerung wie in Krisenzeiten.“ Mit anderen Worten: Die Kriminalität geht zurück, aber die Furcht vor Verbrechen steigt.
Laut Bundespräsident hätten Bund, Länder und Kommunen zu lange unterschätzt, wie wichtig vielen Menschen die Polizeipräsenz, bis hin zur Fußstreife im eigenen Viertel sei. Zu lange sei auch ignoriert worden, dass sich organisierte Kriminalität schwer in Schach halten lasse, wenn etwa Gerichte chronisch unterbesetzt seien.
Ein Fehler sei es gewesen bei den Sicherheitsbehörden Personal abzubauen, mit dem Ziel eines «schlanken Staats». Laut Steinmeier brauchen wir eine gut ausgestattete und professionelle Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte, «Gerade wenn wir ein Europa der offenen Grenzen bewahren wollen».
Stellenoffensive bei der Polizei
Angesichts der rund 22 Millionen Überstunden und Mehrbelastungen in den Reihen der Polizei könne Steinmeier die Forderungen nach besserer Personalausstattung gut verstehen.
„Gut, dass der Bund sich schon so deutlich bewegt hat, noch besser, dass auch etliche Länder mitziehen wollen. Allerdings wissen wir alle hier im Saal, dass es mit Stellenzuwachs auf dem Papier allein nicht getan ist. Woher die qualifizierten Bewerberinnen und Bewerber kommen werden, woher ihre Ausbilder dann die Ressourcen nehmen – ohne dass neue Lücken bei den Kernaufgaben entstehen –, ob vielleicht eine Modernisierung der Ausbildung nötig wird, all das ist ehrlich zu debattieren. Die Richtung dabei ist klar: Unsere Polizei muss handlungsfähig sein und handlungsfähig bleiben!“ Dazu ist erstklassige Ausstattung und moderne Technik ein Muss.
Seehofer: Grenzkontrollen auch an anderen Abschnitten
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sprach sich auf dem GdP Bundeskongress in Berlin für eine Erweiterung für begrenzte Zeit von stationären Grenzkontrollen ähnlich wie in Bayern aus. Seehofer könne sich vorstellen, „dass wir der Polizei durchaus die Möglichkeit geben, für begrenzte Zeit anlassbezogen stationäre Grenzkontrollen durchzuführen, etwa wenn in Sachsen mal wieder besonders viele Mähdrescher verschwinden„, sagte der CSU-Politiker am Montag auf dem GdP Bundeskongress.
Der GdP Delegiertentag will aktuell politische gesellschaftliche Entwicklungen sowie drängende Fragen der Polizeibeschäftigten erörtern und mit klaren Positionen seinen Beitrag zur Gewährleistung der Inneren Sicherheit und zur weiteren Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Kolleginnen und Kollegen in der Polizei leisten. Malchow unterstrich, „in diesen sehr bewegten Zeiten geht es um viel und viele: um die innere Sicherheit, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und alle Polizeibeschäftigten in diesem Land.
Einen Schwerpunkt der Debatten wird die eskalierende Gewaltbereitschaft gegenüber Polizeibeamtinnen und -beamten einnehmen. „Die Politik hat in den letzten Jahren falsch eingeschätzt, wie sich die Sicherheitslage und damit die Herausforderungen für die Polizei verändert haben“, betonte der seit 2013 an der GdP-Spitze stehende Bundesvorsitzende Oliver Malchow, der für eine weitere Amtszeit kandidieren wird.
Auch die dramatische Personalsituation bei der Polizei wird eine wichtige Rolle spielen. Seit 1998 hat die Polizei nach GdP-Informationen etwa 16.000 Stellen im polizeilichen Vollzugsdienst verloren. Erst die Kölner Silvesternacht hatte ein Umdenken in der Politik bewirkt.
Die Entwicklung in Bund und Ländern ist jedoch sehr unterschiedlich. Die Folgen der Föderalismusreform wirken sich immer stärker auf die Polizeibeschäftigten aus: Die Länder nutzen Handlungsspielräume insbesondere im Besoldungsrecht zu Lasten vieler Polizeibeschäftigten. Die Besoldung im Vergleich zwischen Bund und Ländern, aber auch zwischen den Ländern untereinander, driftet weiter auseinander, aber auch rechtliche Rahmenbedingungen. Malchow sagte: „Ein von der GdP gefordertes und den Koalitionsparteien vereinbartes Musterpolizeigesetz erscheint vor diesem Hintergrund in weiter Ferne.“