München | Mit 6.919 Fällen verbaler und körperlicher Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte in Bayern gab es vergangenes Jahr einen neuen Höchststand seit der Erstellung entsprechender Lagebilder ab dem Jahr 2010. „Umso wichtiger ist, die Polizei noch besser zu schützen„, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann.
Aus diesem Grund wird der bayerische Innenminister am kommenden Mittwoch (02. November) gemeinsam mit dem Münchner Polizeipräsidenten Hubertus Andrä, dem Polizeipräsidenten des Polizeipräsidiums Schwaben Nord, Michael Schwald sowie dem Polizeipräsidenten des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd, Robert Kopp die Pilotierung von Body-Cams vorstellen. Die Body-Cams werden ausschließlich an gefährlichen Orten und bei kritischen Einsatzsituationen in München, Augsburg und Rosenheim getestet, teilte das Innenministerium mit.
Aufgrund der deutlich erkennbaren Videoüberwachung erhofft sich Herrmann eine höhere Hemmschwelle, Polizisten anzugreifen.
Bundespolizei in Bayern zieht positives Fazit
Das Body-Cams ein sinnvolles und zweckmäßiges Einsatzmittel sind, erkennen auch immer mehr Polizeibehörden in Deutschland. Seit dem 19. Februar 2016 erprobt die Münchner Bundespolizei am Hauptbahnhof der bayerischen Landeshauptstadt mobile Körperkameras – wir berichteten. „Erste Auswertungsergebnisse nach fast einem halben Jahr zeigen, dass die mit der Technik betreuten Beamten, das neue Einsatzmittel „BodyCam“ überwiegend positiv bewerten„, teilte Wolfgang Hauner von der Bundespolizeiinspektion München bereits im August mit.
In der Erprobung bei der Bundespolizei in Bayern, die noch ein weiteres halbes Jahr andauern soll, liegt ein Schwerpunkt auf der Akzeptanz von Bundespolizeibeamtinnen und -beamten sowie der Öffentlichkeit. Weiterhin soll geschaut werden, ob sich gewaltbereite Personen abschrecken lassen und ob Einsatzkräfte geschützt werden.
Bodycam Brustmodell als Favorit
Erprobt werden zwei unterschiedliche Kamerasysteme (Brust- und Schulterkamera). Positiv stimmte die Münchner Bundespolizeibeamtinnen und -beamten das Brustmodell, bei dem die Kamera an der Brust angebracht wird. Es lässt sich mit einem Handgriff an der Schutzweste anbringen und offenbarte in der Handhabung keinerlei negative Beeinflussung auf andere Einsatzmittel. Das Schultersystem bewährte sich eher nicht. Hier besteht noch Verbesserungsbedarf bezüglich der Handhabung und Eigensicherung.
Beim polizeilichen Gegenüber konnten vier unterschiedliche Verhaltensmuster ausgemacht werden:
- Einem Teil fällt der Einsatz der BodyCam nicht wirklich auf.
Dies lässt sich zum Teil durch die unterschiedlichen Farben der
an den Beamtinnen und Beamten angebrachten Aufschriften
„Videoüberwachung“ erklären. Die gelben Hinweisschilder sind
gegenüber den weißen deutlich besser wahrnehmbar.
- Bei Standardmaßnahmen, die aufgrund sehr aggressiven Verhaltens des Gegenübers erschwert werden, erkennt man teilweise die abschreckende Wirkung ab der mündlichen Ankündigung eines möglichen Kameraeinsatzes. Hierauf reagierte das polizeiliche Gegenüber bisher weitestgehend kooperativ.
- Bei einzelnen, sehr gewaltbereiten Störern zeigt die Kamera nicht immer eine Wirkung – selbst wenn die Lage vom polizeilichen Gegenüber noch eingeschätzt werden kann. Das Aggressionspotential überlagert die abschreckende Wirkung: der BodyCam-Einsatz ist dem polizeilichen Gegenüber „egal“.
- Bei stark alkoholisierten Personen, welche den überwiegend größten Teil der Einsatzanlässe ausmachen, bei denen die Körperkameras am Münchner Hauptbahnhof zum Einsatz kommen, spielen überwiegend verbale Beleidigungen oder Bedrohungen eine Rolle. Da in der Erprobungsphase der Ton aber nicht aufgezeichnet wird, fehlt auch eine spätere Beweisführung in Ermittlungsverfahren. Hier sprachen sich die Münchner Bundespolizisten eindeutig für eine Änderung und für künftige Tonaufzeichnungen aus.
„Besonders erwähnenswert erscheint noch die Erfahrung der Beamtinnen und Beamten, dass die Zeit zwischen dem polizeilichen Eingreifen und dem Aktivieren des Kamerasystems oft sehr knapp ist. Die meisten Gefahrensituationen entwickeln sich dynamisch. Da bleibt keine Zeit, an das Einschalten der Kamera zu denken oder irgendeinen Knopf zusätzlich zu drücken„, so Hauner von der BPol München.
Jedoch bietet der Markt bereits Lösungen für diese Problematik. So zeichnet z. B. die Axon Body 2 rund 30 Sekunden im Vorfeld der Aktivierung auf.
Wenn Bürger und Reisende das Tragen der mobilen Körperkameras bemerkten, waren sie oftmals am allgemeinen Einsatz und den Möglichkeiten interessiert. Die Funktionsweise (was, wann und wie aufgezeichnet wird) stand dabei nicht im Vordergrund.
In der Medienberichterstattung, ebenso im Beschwerdemanagement der Münchner Bundespolizei, wurde im ersten halben Jahr kein Fall bekannt, in dem die BodyCam-Erprobung zu negativer Berichterstattung geführt hätte bzw. Anlass zu Beschwerden gab.
Im Berichtszeitraum wurden die Körperkameras 125mal getragen. Dabei kam es zu 21 Aufnahmen. 17 davon wurden wieder gelöscht. Bei vier Situationen wurden die bewegten Bilder gesichert und für strafrechtliche Ermittlungen verwandt.
Im Ergebnis der „Münchner Erprobung“ bleibt festzuhalten:
Der Einsatz der BodyCam wird sowohl von den Beamtinnen und Beamten aber auch von der Öffentlichkeit akzeptiert.
Die Ausstattung von Streifenbeamten mit mobilen Körperkameras wird, insbesondere aus Eigensicherungsgründen, positiv betrachtet.