SEK-Einsatz.de fragte bei Berlins Polizeipräsident Klaus Kandt nach, welche Konsequenzen den SEK-Beamten nach dem Interview droht, was er persönlich für sich daraus zieht und wie er die Situation verbessern möchte. Schließlich war der Präsident der Hauptstadtbehörde selbst Mitglied beim SEK Berlin sowie der GSG9.
Wenn nicht er weiß, was seine Mitarbeiter im Einsatz fühlen und denken, an Ausrüstung benötigen, wer dann?
Wird es Konseqenzen für die drei SEK-Beamten, die das Interview gegenüber der GdP gaben, geben? SEK-Einsatz.de meint nicht. „Jeder darf in unserem Rechtstaat seine persönliche Meinung offen sagen, auch wenn es manchen Personen vielleicht nicht passt.“
Folgende Fragen stellte SEK-Einsatz.de an den Polizeipräsidenten in einer E-Mail am 27.07.2015 | 16.19 Uhr
1. Herr Kandt, in der aktuellen GDP-Ausgabe „Deutsche Polizei“ machen sich drei Kommando-Angehörige eines SEKs Ihrer Behörde Luft über die seit Jahren bekannten Problematiken wie z. B. u. a. veraltete Waffentechnik, nicht mehr zeitgemäße Ausrüstung, enormer Überstunden-Aufbau, schlechte Bezahlung sowie Beförderungsmöglichkeiten. Finden Sie diese „Vorwürfe“ Ihrer Mitarbeiter gerechtfertigt?
2. Oder herrscht einfach eine schlechte Moral innerhalb der Einheiten, der Politik und Polizeiführung gegenüber?
3. Sie selbst waren viele Jahre bei der Bundespolizei und vor allem bei der Eliteeinheit Deutschlands: der GSG 9 der BPol. Sollten nicht gerade Sie am besten wissen, wie wichtig eine moderne und zuverlässige Ausrüstung für die Beamten der Spezialeinheiten der Polizei ist? Schließlich handelt es sich bei den Angehörigen um das „letzte Mittel“ der Polizei.
4. Nach der Innenministerkonferenz (IMK) kündigte Berlins Innensenator Frank Henkel eine Optimierung und Anpassung der Ausrüstung für die Spezialeinheiten der Polizei Berlin an. Gibt es bereits konkrete Zeitpläne?
5. Gerade in Zeiten von zunehmender Terrorgefahr und den steigenden Einsatzzahlen – im vergangenen Jahr leisteten die Spezialeinheiten der Berliner Polizei insgesamt 117.696 Mehrarbeitsstunden – wird es da nicht langsam Zeit für Entlastung? Schließlich handelt es sich bei den SE-Angehörigen um die Elite der Polizei, denen tagtäglich alles abverlangt wird, sei es physisch oder psychisch.
6. In dem Interview bemängeln die Kommando-Angehörigen die völlig veraltete und viel zu geringe Gefahrenzulage. Gibt es bei den Einheiten des Bundes – GSG 9 und ZUZ – rund 400€, sind es in Berlin nicht einmal 200€. Durch erhöhte Versicherungsbeiträge ist diese Zulage für „besondere Dienste“ schnell weg. Wird es nicht auch hier Zeit für eine gerechtere Bezahlung?
7. Glauben Sie, dass Sie sich persönlich gegenüber der Politik entscheidend genug durchsetzen, was die jahrelangen Sparpläne Berlins sowie Ihres Vorgängers angeht?
8. Erst heute wieder machte die DPolG auf den Beförderungsstau bei der Polizei aufmerksam. Dort ist die Rede von Wartezeiten zwischen 10 und 25 Jahren! Auch die Kollegen im Interview sprechen von Benachteiligungen bei der Beförderung nur weil sie zum SEK gegangen sind. Sollte nicht auch hier die Politik schnellstmöglich nachbessern?
9. Ein Dauerthema seit der Einführung bei den SEKs ist die Altersgrenze. In vielen Bundesländern – darunter auch Berlin – bemängeln Beamte, dass mit dem Ausscheiden aus dem Kommando seitens des Dienstherrn nicht genug getan wird, um diese Polizisten wieder ordentlich in den „Polizei-Alltag“ zurückzuführen. Nun sind Sie persönlich sicherlich ein Paradebeispiel, dass man von den Spezialeinheiten sehr gut zurück geführt werden kann, jedoch sicherlich auch eine große Ausnahme. Was sollte Ihrer Meinung nach innerhalb der Behörden verbessert werden, um den SE-Angehörigen die Angst vor dem Ausscheiden zu nehmen?
10. Wäre z. B. ein besonderer Stellenschlüssel und/oder die Umsetzung der zweigeteilten Laufbahn eine Möglichkeit?
11. Die Berliner Polizei gibt sich nach Außen als moderne Hauptstadtpolizei, ist in allen sozialen Netzwerken vertreten – künftig sogar mit eigenem Social Media Team. Ist es aufgrund der oben genannten Missstände nicht ein Schlag für die Beamten ins Gesicht?
12. Abschließend, welche Konsequenzen ziehen Sie für sich persönlich aus diesen „Vorwürfen“? Was möchten Sie in der Zukunft besser machen, um den Beamten, die von ihnen beschriebene, fehlende Wertschätzung entgegen zu bringen?

Und hier nun die Antwort nach 52 Stunden aus dem Stab der Behördenleitung, übersandt durch die Polizeipressestelle vertreten durch Kriminaloberrat Stefan Redlich:
Ihre E-Mail-Nachricht vom 27. Juli 2015
Sehr geehrter Herr …
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Sie sprechen in Ihren Fragen Bedingungen beim Spezialeinsatzkommando (SEK) an, die verbesserungswürdig seien. Allerdings gibt es zahlreiche Bereiche bei der Polizei Berlin, in denen Veränderungen und umfangreiche Investitionen erforderlich sind.
Beispielsweise müssen die Schießstände modernisiert werden, so dass sie für das Schießtraining aller Polizistinnen und Polizisten zur Verfügung stehen, für die Landespolizeischule gilt es, ein neues Gebäude zu bauen und die Wasserschutzpolizei braucht neue Boote.
Durch zusätzliche Mittel im Landeshaushalt wurde dem Investitionsstau der letzten Jahre bereits begegnet. Mehr als 250 zusätzliche Personalstellen wurden seit 2012 geschaffen und so konnten u.a. zwei neue Hundertschaften aufgebaut werden. Auch bei den derzeitigen Haushaltsberatungen hat die Innenverwaltung mehrere hundert Stellen für die Polizei angemeldet. Bei der Ausstattung wurden ebenfalls Verbesserungen vorgenommen, z.B. erhielten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentralen Objektschutzes eine Kälteschutzausstattung. Und für die gemeinsam mit der Berliner Feuerwehr geplante kooperative Leitstelle sind durch Senatsbeschlüsse bereits über 80 Millionen Euro in den nächsten 2 Landeshaushalten eingeplant.
Auf die durch Sie angesprochenen Themen der Waffenausstattung, der Beförderungsmöglichkeiten und der Verwendung nach dem altersbedingten Ausscheiden aus dem SEK möchte ich detaillierter eingehen.
Beim SEK in Berlin erfolgen die Waffenbeschaffungen sukzessiv, sodass eine Kontinuität in der Zuverlässigkeit des gesamten Waffensystems gewahrt bleibt. Ein derartiges Konzept bringt es mit sich, dass Waffen bereits seit einigen Jahren genutzt werden. Um eine Einsatzfunktionsfähigkeit der vorhandenen Waffen zu gewährleisten, findet jährlich eine Waffenrevision, also eine Verlässlichkeitsprüfung durch ausgebildete Fachkräfte statt. Die Ausstattung mit zusätzlichen modernen Waffen wird ständig geprüft und im Rahmen des zur Verfügung stehenden Budgets weiter betrieben.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Spezialeinheiten werden in ihrer Verwendungszeit nach Befähigung, Leistung und Eignung gefördert und ggf. nach Maßgabe freier Stellen befördert. Regelbeförderungen, nur aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Spezialdienststelle, sind nicht möglich und auch nicht vereinbar mit den verfassungsrechtlich garantierten hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums, die ausschließlich eine Befähigungs-, Leistungs- und Eignungsbeförderung vorsehen.
Die Spezialeinheiten arbeiten mit altersbedingten Verwendungshöchstgrenzen, insbesondere um die Leistungsfähigkeit auf einem gleichbleibenden Höchstmaß zu halten. Nach Erreichen der Altersgrenzen werden die Polizeivollzugsbeamten innerhalb anderer Dienststellen der Polizei Berlin eingesetzt, wo nach den oben benannten Grundsätzen eine Weiterentwicklung stattfindet.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Stefan Redlich
Pressesprecher der Polizei Berlin