Berlin | Nach den terroristischen Anschlägen auf die Pariser Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ wurde auch im politischen Berlin viel diskutiert, wie gut Deutschland für ein solches Bedrohungsszenario aufgestellt ist. Schnell kamen Experten zu dem Entschluss, dass Deutschland für eine solche Terrorlage nicht gewappnet ist.
„Wir haben bei der Analyse von Terrorlagen, wie zum Beispiel in Paris, festgestellt: In Deutschland sind wir für eine solche Lage nicht ausreichend gewappnet. Hier muss eine Fähigkeitslücke geschlossen werden“, sagte der CDU-Innenexperte im Bundestag Armin Schuster.
In Paris hatten Anfang Januar Attentäter mit schweren Waffen – Kalaschnikows, eine Panzerfaust und eine Granate – insgesamt zwölf Menschen getötet. Anschließend flüchteten die Täter zwei Tage durchs Land und wurden von tausenden Polizisten und Soldaten gesucht, bis sie schließlich von den Sicherheitskräften bei der Erstürmung eines Supermarktes erschossen wurden.
„Wir haben natürlich das Potenzial der normalen polizeilichen Streifendienste, die aber nicht darauf vorbereitet sind, langanhaltende Anti-Terrorlagen bewältigen zu können. Und die GSG9 als Spezialeinheit ist in ihrer Größe auch nicht dafür geschaffen, lange Großeinsätze wie in Paris zu bewältigen„, so Schuster weiter.
250 Stellen zur Stärkung der Krisenfestigkeit
Aus diesem Grund hat der Bund beschlossen eine neue Anti-Terror-Einheit bei der Bundespolizei aufzustellen. Intern wird die neue Einheit bereits scherzhaft „GSG 9 light“ oder „BFE strong“ genannt.
Wie eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums gegenüber SEK-Einsatz.de sagte: „Die Planungen sehen eine Stärkung der Krisenfestigkeit und der Reaktionsfähigkeit der Bundespolizei bei terroristischen Bedrohungslagen vor.“
Nach Angaben des Bundesministeriums des Innern sollen die Einheiten personell aus dem im Rahmen des Eckwertebeschlusses der Bundesregierung zum Haushalt 2016 vereinbarten Pakets zur Stärkung der Sicherheitsbehörden des Bundes ausgestattet werden. Hieraus soll die Bundespolizei für die o.g. Organisationseinheiten insgesamt 250 neue Stellen erhalten. Wie der RBB erfahren haben will, sollen die jeweils 50 Mann starken Einheiten an insgesamt fünf Bundespolizei-Standorten stationiert sein. Bis Ende 2015 in Blumberg im Nordosten Berlins, gefolgt in den nächsten drei Jahren in Uelzen, Sankt Augustin, Hünfeld und Bayreuth.
Dieses wollte die Sprecherin des Bundesinnenministeriums jedoch nicht bestätigen: „Derzeit ist eine Arbeitsgruppe beim Bundespolizeipräsidium unter Beteiligung des BMI mit den Vorbereitungen und Erarbeitung einer Einsatzkonzeption beschäftigt. Die Entscheidung zu den Standorten der Einheiten wird zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen.“
Die neuen Organisationseinheiten sollen zunächst an die bestehende Bundesbereitschaftspolizei angegliedert werden und zielgerichtet im Anschlagsfall zum Einsatz kommen. Bei solchen Lagen würde die neue Einheit dann die GSG 9 bei z.B. Fahndungsmaßnahmen über Ländergrenzen hinweg unterstützen, da diese personell dafür nicht ausgerichtet sind. Der Zugriff würde jedoch durch die Neuner selbst erfolgen.
SEKs besser ausstatten
Kritiker hingegen bezweifeln jedoch die Pläne der Bundesregierung zur neuen Anti-Terror-Einheit. „Die Zuständigkeit bei Terrorlagen liegt zunächst erst einmal bei der Landespolizei. Diese verfügt mit ihren Spezialeinsatzkommandos über besonders gut ausgebildete Polizeibeamte für solche Lagen und dies sind die Kräfte, die binnen weniger Minuten am Einsatzort sind„, sagte ein Polizeiführer gegenüber SEK-Einsatz.de.
Auf Bundesebene hält man die SEKs jedoch für einen Anti-Terror-Einsatz der sich über mehrere Tage und Ländergrenzen hinweg erstreckt für überfordert.
„Die Politik sollte endlich dafür sorgen, dass unserer Spezialeinheiten besser ausgerüstet und die Landespolizei personell aufgestockt wird. Und nicht erst, wenn etwas passiert ist„, so der Polizeiführer.
Die Innenminister der Länder hatten wie die Bundesregierung bereits nach den Anschlägen in Paris eine bessere Ausstattung der Spezialeinheiten versprochen – SEK-Einsatz.de – berichtete.
Das Land Rheinland-Pfalz hatte nach den Anschlägen von Paris kurzfristig für 1,6 Millionen Euro die Ausstattung der Spezialkräfte optimiert. So hätten die Spezialeinsatzkräfte beispielsweise noch mehr Westen mit höherer Schutzklasse, Nachtsichttechnik und weitere leistungsfähige Waffen beschafft. Ebenfalls werde in einigen Monaten die Lieferung eines sondergeschützten Fahrzeuges erwartet.
Auch Berlins Innensenator Frank Henkel sprach sich für eine Optimierung und Anpassung der Ausrüstung für die Spezialeinheiten der Polizei Berlin aus: „Die Terroranschläge von Paris haben gezeigt, dass wir es mit einer neuen Bedrohungslage zu tun haben. Nämlich mit hochgerüsteten Gegnern, die Zugriff auf Kriegswaffen haben. Die Sicherheitsbehörden müssen sich darauf einstellen, dass Anschläge von Personen verübt werden könnten, die Erfahrung auf Schlachtfeldern von Syrien und Irak gesammelt haben. Diese Personen könnten dann ein hohes Maß an Brutalität und taktischer Ausbildung mitbringen, das auch für die Sicherheitskräfte eine enorme Bedrohung ist.
Mein Eindruck ist, dass die Ausrüstung der Polizei in dieser Hinsicht ausbaufähig ist. Deshalb ist es gut, dass wir diese Frage auf der IMK mit großer Priorität behandeln. Neben der Möglichkeit, solche Bedrohung auszuschalten, muss aus meiner Sicht vor allem der Schutz der Einsatzkräfte im Mittelpunkt stehen. Das gilt auch für die Polizeien der Länder.“
Übung: Bewältigung einer terroristischen Anschlagslage
Während die Umsetzung der Pläne zur neuen Anti-Terror-Einheit auf Hochtouren beim BMI und der Bundespolizei laufen, rüsten sich auch die Länderpolizeien weiter für ein mögliches Anschlagsszenario. In der kommenden Woche wird z. B. die Polizei Berlin eine Übung zur „Bewältigung einer terroristischen Anschlagslage“ durchführen. Dazu wird unter anderem die Tatortarbeit an beschossenen und mit Handgranaten gesprengten Fahrzeugen durchgeführt.
Bleibt zu hoffen, dass wie so oft bei der Polizei auch, auf landes- als auch bundespolitischer Ebene eine gemeinsame Zusammenarbeit angestrebt wird, um für ein mögliches Anschlagsszenario gerüstet zu sein.