Berlin | Sie sollen bei Terroranschlägen, Geiselnahmen, oder Amokläufen direkt in die Schusslinie fahren können, um dort Spezialeinsatzkräfte abzusetzen oder Opfer zu retten: sogenannte High Mobility Vehicle (HMV). Bei Schutzmaßnahmen für gefährdete Luftunternehmen an Flughäfen oder als Begleitfahrzeuge für gefährdete Staats- und Regierungschefs sollen die Light Armoured Patrol Vehicle (LAPV) zum Einsatz kommen. Alle Fahrzeugtypen sollen jedoch den 1984 bei den Polizeien eingeführten Sonderwagen (SW) 4 ablösen.
Während die Bundespolizei auf den EAGLE IV setzt, bestellte die Landespolizei Sachsen zwei Rheinmetall Survivor R – wir berichteten, welche im Dezember ausgeliefert werden sollen, sowie sieben von WELP Armouring gepanzerte Toyota Land Cruiser. Die Polizei der Hansestadt Hamburg beschaffte für seine Spezialeinsatzkräfte bereits im November 2016 ein sondergeschütztes Fahrzeug der österreichischen Firma Achleitner vom Typ ‚HMV Survivor‘.
Der Survivor R 4×4 Polizei-Edition von Rheinmetall
Erstmals auf der internationalen Fachmesse und Konferenz für Polizei- und Spezialausrüstung „GPEC General Police Equipment Exhibition & Conference®“ im Juni 2016 stellte Rheinmetall Defence den geschützten Sonderwagen Survivor R 4×4 in der Polizeivariante vor. Der gemeinsam von Rheinmetall MAN Military Vehicles (RMMV) und der österreichischen Firma Achleitner entwickelte Survivor, bietet eine perfekt ausgewogene Mischung aus Mobilität, Schutz und Nutzlast, wie die Hersteller versprechen. Die Monocoque-Kabine bietet ein herausragendes Schutzniveau mit einem der größten Innenräume in der 15-t-Fahrzeugklasse und kann individuell auf die Bedürfnisse der Anwender abgestimmt werden. Trotz der robusten Panzerung die z. B. Beschüssen eines Sturmgewehrs AK-47 standhält, ist das äußere Erscheinungsbild des Survivor R bewusst zivil und optisch deeskalierend ausgelegt.
Beim Survivor R werden ausschließlich Komponenten aus der Serienfertigung genutzt und die angepasste MAN-TGM-LKW-Karosserie und Fahrzeugtechnik erlaubt es das Fahrzeug in jeder MAN-LKW Werkstatt kostengünstig zu warten. Der 330 PS starke 6,9 Liter Dieselmotor erfüllt die Euro III Klasse. Serienmäßig ist der Survivor R mit ABC-Detektoren ausgerüstet und die Schutzbelüftungsanlage schützt die Insassen gegen atomare, biologische und chemische Kampfstoffe. Der Innenraum des Survivor R ist nicht nur modern und hell, sondern bietet für bis zu 10 Personen mit persönlicher Ausrüstung, sowie umfangreicher Funk- und Führungsausstattung Platz. Eine motorunabhängige Standheizung, sowie eine leistungsfähige Klimaanlage sorgen für eine ganzjährig komfortable Einsatzumgebung für die polizeilichen Einsatzkräfte, sowie eine deutliche Geräuschreduzierung gegenüber dem in die Jahre gekommenen SW4.
Der Survivor R kann kundenindividuell mit umfangreicher Sonderausstattung für den Polizeibedarf ausgestattet werden, wie z. B. ein Räumschild oder eine Abschussanlage für Nebelgranaten oder Tränengas. Außerdem je nach Wunsch modulare Waffenstationen mit Doppelbewaffnung, die im Inneren bedient und nachgeladen werden können.
EAGLE IV löst SW4 an deutschen Flughäfen ab
Der EAGLE IV bewegt sich auf ganz anderem Terrain. Seinen ersten Einsatz hatte das Aufklärungsfahrzeug für das „German Police Project Team“ in Afghanistan. Er ist ein leicht gepanzertes Aufklärungsfahrzeug, dessen Entwicklung bereits 1990 begann. Während die Vorgänger noch auf das Fahrgestell des High Mobility Multipurpose Wheeled Vehicle (kurz: Humvee) zurückgehen, basiert der EAGLE IV auf dem Lkw Mowag Duro. Seine leichte Panzerung bietet Schutz gegen Minen, Sprengsätze und ballistische Geschosse aus Handwaffen. Je nach Aufbau bietet das Fahrzeug Platz für bis zu sechs Personen. Die militärische Variante des EAGLE IV besitzt optional eine Nebelmittelwurfanlage.
Bei der Bundeswehr wurde der EAGLE IV erstmals 2008 als Geschütztes Führungs- und Funktionsfahrzeug (GFF) eingeführt. Dabei kommt er in drei Varianten zum Einsatz: als Einsatzfahrzeug von Führungspersonal, zur Patrouillensicherung oder als Beweglicher Arzt-Trupp (BAT).
Im Jahr 2011 beschaffte das Auswärtige Amt aus dem Rahmenvertrag der Bundeswehr zehn geschützte EAGLE IV für die Bundespolizei zum Einsatz in Afghanistan. Bundespolizisten des German Police Project Teams (GPPT) nutzten diese Fahrzeuge in unsicherem Gelände. Da im Jahr 2015 kein weiterer Bedarf für den Einsatz in Afghanistan bestand, wurden die EAGLE IV zurück nach Deutschland überführt. Nun wurden sie für den Einsatz bei der Bundespolizei umgerüstet. „Unter anderem wurden die Fahrzeuge mit einer Sondersignal- sowie Funkanlage ausgestattet und es wurden erforderliche Kennzeichnungen und Markierungen angebracht„, sagte ein Sprecher der Bundespolizei.
Nach der Umrüstung soll der EAGLE IV die bisher eingesetzten Sonderwagen (SW) 4 an den Flughäfen ablösen. Je drei Fahrzeuge erhalten die Flughäfen München, Frankfurt am Main sowie der künftige Flughafen Berlin-Brandenburg, der Flughafen Stuttgart erhält einen EAGLE IV. Für eventuelle Bedrohungsszenarien wird zudem die Möglichkeit geprüft, den EAGLE IV mit einer Waffenanlage auszustatten.
Der ENOK von ACS Armoured Car Systems GmbH – Die Zukunft der hoch gepanzerten Fahrzeuge im Polizeieinsatz?
Ein völlig neues Gesicht im Bereich sondergeschützte Fahrzeuge ist der LAPV 6.1, der derzeit unter der militärischen Bezeichnung ENOK auch in die Bundeswehr eingeführt wird. Sein Urahn ist die Mercedes G-Klasse, die nicht nur allseits bekannt, sondern auch vielfach bewährt ist. In internationalen polizeilichen Auslandsmissionen beispielsweise in Afghanistan ist dieses Modell als G-Klasse SSA (Sonderschutzausstattung) das Fahrzeug der Wahl. Der LAPV 6.1, eine Weiterentwicklung des Vorgängers LAPV 5.4 ist verglichen mit dem Survivor R eine Nummer kleiner und leichter. Aufgrund seiner geringeren Abmessungen und höheren Agilität soll er für dynamische, hoch komplexe polizeiliche Lagen im städtischen Umfeld genutzt werden.
Entwickelt und gebaut wird der LAPV 6.1 als Gemeinschaftsprodukt der Firmen Daimler, Magna Steyr und ACS Armoured Car Systems GmbH. Bei ACS Armoured Car Systems GmbH im bayerischen Aichach erfolgen die Entwicklung und Konstruktion aller Schutz- und Panzerungselemente, sowie die Endmontage der Fahrzeuge.
Die Firma ACS Armoured Car Systems, im Jahr 2003 hervorgegangen aus einem deutschen Rüstungskonzern, ist heute ein eigenständiges Unternehmen der GRUMA-Gruppe.
Am Firmenstandort Aichach beschäftigt das Unternehmen heute knapp 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Durch die Kooperation dieser Firmen vereint der LAPV 6.1 vereint das Beste aller Welten. Die Fahrwerkkompetenz der Weltmarke Daimler AG, die Expertise des „Mutterhauses“ aller G-Modelle, Magna Steyr, vereint mit dem Know-how der Panzer-Spezialisten von ACS ergibt das bestgepanzerte und gleichzeitig flexibelste G-Modell aller Zeiten.
Highlights des LAPV 6.1 ENOK sind:
- Optimiertes Fahrwerk durch Portalachsen
- zGG 6.2t
- Zuladung: > 1t
- Besseres Fahrverhalten bei Geländefahrten
- Größeres Ladevolumen im Innenraum
- Geschützter Stauraum im Heckbereich
- Optimierter Schutz durch höhere Bodenfreiheit
- Gesteigerte Motorisierung (G280 CDI, 184 PS)
- Schnittstelle zur Montage einer Multifunktionsstation auf dem Dach
- Schutzwestenoptimierte Sitze
Mit dem LAPV 6.1 ENOK stellt die ACS Armoured Car Systems GmbH der Bundeswehr eine einzigartige Plattform zur Verfügung, die in ihrer Fahrzeugklasse einzigartig und konkurrenzlos ist.
Sondergeschützte Fahrzeuge von Welp Armouring
Ebenfalls für Spezialeinsätze aller Art bietet das Unternehmen WELP Armouring ein Portfolio an sondergeschützten Fahrzeugen an. Ob Transportfahrzeuge, Pick-Ups oder hin bis zu SUVs kann jedes dieser gepanzerten Fahrzeuge individuell an die Einsatzanforderungen der Polizeikräfte angepasst und entwickelt werden, egal ob taktisch, verteidigend oder aufklärend. Dabei bietet WELP Spezialoptionen wie unter anderem Gun-Ports, Funkanlagen, Überwachs- und Ortungssysteme, Notausstiege und elektrische Trittbretter, Verteidigungsschilde und taktische Lichtanlagen an. Verwendet werden ausschließlich hochwertige, zertifizierte, ballistische Materialien.
Im Januar übergab der sächsische Innenminister Markus Ulbig bereits sieben von WELP Armouring gepanzerte neutrale Pkw des Typs Toyota Land Cruiser V8, die vor Beschuss schützen, an die Polizei. Die Fahrzeuge verfügen über verstärkte Bremsen und Stoßdämpfer und sind mit Digitalfunk und Sondersignalanlage ausgestattet. Im Innenraum gibt es genügend Platz, sodass die Beamten mit Schutzwesten und Helmen darin sitzen können. Zwei der sieben Fahrzeuge dienen künftig dem Spezialeinsatzkommando der Polizei Sachsen. Die übrigen fünf Fahrzeuge gehen an die fünf Polizeidirektionen im Freistaat Sachsen. Bei entsprechenden Einsatzlagen können die Autos landesweit eingesetzt werden. Alle Fahrzeuge sind sogenannte neuwertige Autos, die eine geringe Laufleistung aufweisen. Diese resultiert daraus, dass die Fahrzeuge so nicht beim Hersteller verfügbar waren und WELP Armouring diese als sondergeschützte Wagen aufrüsten musste.
Mit dem breiten Leistungsspektrum im Bereich Sicherheit bietet WELP Armouring effektiven Insassenschutz für aller Art von Polizeifahrzeugen.
Sonderfahrzeuge von Carl Friederichs
Ein umfangreiches Portfolio an sondergeschützten und Einsatzfahrzeugen und Wasserwerfern für Polizei sowie an Sonderfahrzeugen für Justiz, Feuerwehr und Rettungsdienste bietet die Carl Friederichs GmbH aus Frankfurt a. M. Als geländegängige gepanzerte Fahrzeuge liefert Friederichs Mercedes Benz G-Modelle sowie die ML- und GL-Klasse, gepanzerte Toyota Land Cruiser 100/105, Landrover Defender und den VW Touareg als TUA REX.
Eine interessante Entwicklung stellt der gepanzerte Mercedes-Benz Sprinter GUARD dar:
- Ballistische Schutzklasse VPAM 9
- Europäische Straßenverkehrszulassung
- zulässiges Gesamtgewicht: 8,0 Tonnen (auf Wunsch auch nur 7,49 T)
- Hochleistungs-Bremsanlage
- Verstärktes Fahrwerk
- 4×4 Antrieb
Gepanzert und geländegängig mit STOOF
Ebenfalls den Mercedes G-Klasse sowie verschiedene Toyota Land Cruiser panzert das brandenburgische Familienunternahmen STOFF International GmbH.
Zur Zertifizierung werden u. a. offizielle Beschusstest unternommen, z. B. wurde der Toyota Land Cruiser 200 TROJAN® gemäß der Richtlinie BRV 1999 Klasse VR 6 durch die staatliche Prüfstelle für Waffen und Sicherheitstechnik in München zertifiziert. Auch die Ansprengung mit einem Sprengsatzäquivalent zu 15 kg TNT überstand der TROJAN®: Keinerlei Bruchstücke des Sprengsatzes gelangten in den Fahrzeuginnenraum.