Die eigens eingerichtete Ermittlungsgruppe Primarius beim Kriminalkommissariat Tübingen hat bei einer groß angelegten Durchsuchungs- und Festnahmeaktion am Mittwochmorgen mehrere Objekte durchsucht. Die Ermittlungen richteten sich gegen fünf Tatverdächtige aus Tübingen und Hechingen. Vier Hauptverdächtige wurden am Mittwoch dem Haftrichter vorgeführt, der die von der Staatsanwaltschaft Tübingen beantragten Haftbefehle in Vollzug setzte. Bei ihren Raubzügen erbeutete die äußerst konspirativ vorgehende Tätergruppe über 2.500 Euro Bargeld und eine Goldkette im Wert von etwa 2.000 Euro. Im Zuge der Ermittlungen konnten noch zahlreiche Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz aufgedeckt werden.
Ihren Ursprung nahm die Straftatenserie am 19.10.2013 mit einem versuchten Überfall auf den Verkäufer einer Goldkette im Wert von 1.900 Euro. Diesen hatten die Beschuldigten nach Tübingen bestellt, wo die Ware übergeben werden sollte. Weil dem 27-Jährigen der vereinbarte Übergabeort fragwürdig vorkam, entfernte er sich noch rechtzeitig, bevor der Überfall stattfinden konnte.
In den Abendstunden des 21.10.2013 wurde ein 33-jähriger Pizzalieferant zum Handwerkerpark beordert. Dieser musste unter Drohung mit einer Pistole seinen Bedienungsgeldbeutel mit rund 300 Euro an zwei vermummte Täter aushändigen. Einen 30-jährigen Interessenten für zwei iPhones hatte die Bande am 21.12.2013 nach Tübingen gelockt, nachdem zuvor ein Kaufpreis von 1.000 Euro vereinbart worden war. Am Übergabeort wurde er von einem vermummten Täter bedroht und nach Schlägen mit einem Revolver so schwer verletzt, dass er in der Klinik behandelt werden musste. Die verlorene Geldbörse des Geschädigten mit 150 Euro Bargeld nahm der Räuber an sich. Als er bemerkte, dass die Ehefrau noch im Fahrzeug war, ergriff er die Flucht.
Am Abend des 29.12.2013 betrat ein Bandenmitglied die Niederlassung eines Pizzaservice in der Weststadt und forderte Bargeld. Um seiner Drohung Nachdruck zu verleihen, versetzte er der 41-jährigen Filialleiterin einen Faustschlag ins Gesicht und schlug mit der mitgeführten Pistole einem weiteren 34-jährigen Mitarbeiter brutal ins Gesicht, worauf ihm etwa 2.200 Euro ausgehändigt wurden.
Ein letztes Mal überfielen zwei Beschuldigte am 09.01.2014 um 17.45 Uhr einen 49-Jährigen, der zwei Rolexuhren für über 10.000 Euro kaufen wollte, welche die Bande über eine Annonce in Ebay angeboten hatte. Glückliche Umstände führten dazu, dass der 49-Jährige im Besitz seines Geldes blieb, sich losreißen und trotz Reizgaseinsatz fliehen konnte. Beim Gerangel wurde ihm eine goldene Halskette im Wert von 2.000 Euro vom Hals gerissen.
Geschädigte über Ebay-Kleinanzeigen kontaktiert
In drei der angezeigten Fälle waren die Geschädigten über Ebay-Kleinanzeigen kontaktiert worden. Dabei hatten die Beschuldigten sowohl selbst Verkaufsanzeigen eingestellt als auch auf eingestellte Verkaufsanzeigen reagiert. Die Tatverdächtigen täuschten ein Kauf- bzw. ein Verkaufsinteresse vor und bestellten die Geschädigten an wenig frequentierte Orte in der Tübinger Weststadt, um sie dort auszurauben.
Auf die Spur der Beschuldigten kamen die Ermittler nach Recherchen bei den Internetprovidern. Im Rahmen dieser intensiven Ermittlungen und aufgrund der Tatsache, dass alle Überfälle in der Tübinger Weststadt stattfanden, konnte schließlich ein Zusammenhang zu den einzelnen Taten hergestellt werden. Im Zuge weiterer Nachforschungen erhärtete sich der Verdacht, dass die Überfälle auf die Ebay-Kontakt-Personen, den Pizzalieferanten und den Pizza-Service von einer Bande bestehend aus vier männlichen Personen im Alter von 20 und 22 Jahren verübt worden sein dürfte. Es konnte nachvollzogen werden, dass die Gruppe arbeitsteilig und in wechselnder Besetzung vorging. Im Rahmen dieser Ermittlungen ergaben sich darüber hinaus Hinweise auf einen schwunghaften Handel mit Betäubungsmitteln, den drei der Beschuldigten von Anfang Februar bis Mitte März betrieben haben dürften.
Rund 100 Einsatzkräfte von SEK, MEK und Hundeführerstaffel
Bei der am Mittwochmorgen anberaumten Festnahme- und Durchsuchungsaktion waren rund 100 Einsatzkräfte beteiligt. Die Kriminalpolizei wurde durch Beamte der Bereitschaftspolizei Göppingen, dem Spezialeinsatzkommando (SEK), dem Mobilen Einsatzkommando (MEK) und der Hundeführerstaffel unterstützt. Insgesamt durchsuchten die Ermittler zeitgleich zunächst sechs Objekte in Tübingen und Hechingen und konnten hierbei alle fünf Tatverdächtigen antreffen. Bei der in Hechingen wohnhaften 18-jährigen Frau wurde gezielt nach den Tatwaffen gesucht. Die Ermittler hatten Kenntnis erlangt, dass die 18-Jährige in Kontakt zu einem der Haupttäter steht und möglicherweise bei ihr die bei dem Überfall verwendeten Waffen deponiert sein könnten, was nicht der Fall war. Es kam in der Folge zu zwei weiteren Wohnungsdurchsuchungen bei vermeintlichen Kontaktpersonen, einem 25-jährigen Hechinger und einem 18-jährigen Tübinger, die im Verdacht standen im Besitz von Waffen zu sein. Bei den Durchsuchungen konnten die Ermittler eine Vielzahl von Waffen (Schreckschusswaffen und verbotene Gegenstände), Mobiltelefone, Simkarten, ein Pfefferspray, Maskierungsmittel und Tatkleidung, Rolexuhren, ca. 4.000 Euro Bargeld, geringe Mengen Betäubungsmittel und vermutlich auch Teile des Raubgutes, (Bedienungsgeldbeutel und Ledergeldbeutel) auffinden und sicherstellen.
Die vier Hauptverdächtigen wurden noch im Laufe des Mittwochs dem Haftrichter vorgeführt, der die Haftbefehle in Vollzug setzte. Die drei übrigen Tatverdächtigen und Kontaktpersonen aus Hechingen und Tübingen blieben nach Abschluss der Ermittlungen auf freiem Fuß. Gegen den 25-jährigen Hechinger und den 18-jährigen Tübinger werden separate Ermittlungsverfahren, insbesondere wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz, eingeleitet. Weitere Ermittlungen sind noch im Gange.
Vorbeugungstipps der Polizei:
- Grundsätzlich bietet der bargeldlose Zahlungsverkehr den sichersten Schutz vor Verlust größerer Bargeldbeträge. Besondere Vorsicht ist angebracht, wenn gerade nach Onlinekäufen oder Verkäufen im Internet eine persönliche Übergabe von Bargeld oder der Ware geplant ist.
- Überprüfen Sie die Seriosität des Anbieters.
- Straßenräuber wollen unerkannt bleiben. Vermeiden Sie eine Übergabe an dunklen, abgelegenen Straßen, Plätzen oder Wegen.
- Seien Sie misstrauisch, wenn der Übergabeort plötzlich geändert wird.
- Bestehen Sie auf eine Übergabe an öffentlich frequentierten Orten wie Gaststätten, Banken, Bahnhöfen, Marktplatz etc.
- Beobachten Sie aufmerksam ihre Umgebung. Suchen Sie bei verdächtigen Wahrnehmungen die Nähe anderer Personen/-gruppen auf.
- Nehmen Sie zur Übergabe Freunde, Bekannte oder Personen ihres Vertrauens mit.
Weitere Tipps und Informationen finden Sie auch unter www.polizei-beratung.de und unter www.kaufenmitverstand.de
Quelle: Polizeipräsidium Reutlingen