Neumünster – Im August konnte die Polizei ein Blutvergießen noch verhindern, als am späten Abend plötzlich rund 50 Rocker an der Kieler Brücke in Neumünster aufeinander stießen. In der Nacht zu Donnerstag war es dafür schon zu spät. Kurz vor 20 Uhr wurden an gleicher Stelle drei Anhänger des Motorradclubs „Red Devils“, der als Unterstützer-Club der „Hells Angels“ gilt, von mehreren Männern angegriffen.
Zwei von ihnen wurden im Eingang zum Schnellrestaurant „Subway“ niedergestochen. Einer der Männer, Erik B. (45), erlitt eine lebensgefährliche Bauchwunde und wurde sofort notoperiert. Mittlerweile soll es ihm besser gehen. Bodo W. (50) wurde nur leicht verletzt. Mitarbeiter des Cafés im ersten Stock leisteten Erste Hilfe. Als Gäste will dort jedoch niemand die Rocker kennen, auch wenn zumindest die „Bandidos“ in den vergangenen Monaten oft im Bereich der Kieler Brücke gesehen wurden – zum Teil deutlich erkennbar an ihren auffallenden Westen, den so genannten Kutten.
Fast 100 Beamte, zum Teil schwer bewaffnet, bezogen Stellung
Die Ermittler suchen die Täter des blutigen Angriffs in den Kreisen der „Bandidos“. Kurz nach der Tat rasten Polizeiautos deshalb in Richtung des Neumünsteraner Stadtteils Gadeland – zum neuen Hauptquartier der „Banditen“. Erst seit wenigen Wochen prangt vor einer Villa am Ausgang der Kummerfelder Straße deutlich sichtbar ihr Emblem: ein Mexikaner mit Machete und Pistole.
Gegen 22.30 Uhr war das Spezialeinsatzkommando (SEK) vor Ort. Fast 100 Beamte, zum Teil schwer bewaffnet, bezogen Stellung. Wenig später rollte der große Gefangenen-Transporter der Justizvollzugsanstalt heran. Nach längeren Verhandlungen ließen sich die Rocker schließlich widerstandslos festnehmen. Nach und nach wurde einer nach dem anderen durch ein Polizei-Spalier zum Transporter geführt – insgesamt 14 Männer. Im Fahrzeug durchsuchten die Beamte sie noch einmal gründlich. Persönliche Sachen wurden ihnen abgenommen. Dann verschwand der Bus in der Dunkelheit. Weitere Polizisten blieben noch vor Ort und durchkämmten die Villa. Ein dunkler Mercedes älteren Baujahrs wurde von der Polizei abtransportiert. Möglicherweise hatte er als Fluchtfahrzeug gedient.
Man kam gar nicht mehr nach Hause
Stundenlang verfolgten viele Gadelander die gespenstischen Szenen direkt vor ihren Haustüren. Viele gerieten auf dem Heimweg in die Kontrollen. „Hier war kein Durchkommen mehr“, erzählten Anwohner. „Das ganze Viertel war abgesperrt. Man kam gar nicht mehr nach Hause. Auch in die Querstraßen wurde niemand hineingelassen. Überall waren vermummte Polizisten. Das war schon unheimlich – und langsam wird das echt lästig“, meinten einige Gadelander. Auch diesmal ging der Polizeieinsatz wieder über viele Stunden. Erst gegen 1.30 Uhr war in den Straßen wieder Ruhe.
Schon vor der Bluttat hatten Anwohner vor dem „Bandidos“-Stützpunkt „recht viele Fahrzeuge“ beobachtet. „Da parkten eine Menge Autos vor dem Haus. Das ist mir aufgefallen“, sagte ein Nachbar aus einer Nebenstraße. Mittlerweile werden im Stadtteil durchaus warnende Stimmen laut. Nicht jeder ist damit einverstanden, dass sich die umstrittene Rocker-Gang in dem Wohngebiet eingenistet hat.
Denn eins dürfte sicher sein: Der Rockerkrieg ist noch lange nicht zu Ende. Auf ihrer Internetseite bezeichnen die Neumünsteraner „Red Devils“ den jüngsten Angriff auf ihre Mitglieder als feige Aktion und verweisen auf die deutliche Überzahl der Kontrahenten. Und sie kündigen an: „Neumünster ist noch lange nicht verloren.“ Die Rache der „Hells Angels“-Anhänger ist eigentlich nur eine Frage der Zeit. Bei dem jüngsten Angriff nahmen die beiden Männer nämlich nicht nur körperlichen Schaden – auch ihre Rocker-Ehre wurde erheblich verletzt. Nach Angaben der Polizei nahmen die Rivalen ihnen die Kutten ab. Sie zu verlieren gilt für einen Rocker als größte Schande. Mittlerweile sind die 14 „Bandidos“ wieder auf freiem Fuß – ein dringender Tatverdacht hat sich bisher nicht erhärten lassen, so das Landeskriminalamt.