Münster – Die Spezialeinheiten der Polizei Münster
Wann sie eingesetzt werden und welche Anforderungen die Beamten erfüllen müssen, darüber sprach der WN-Redakteur Martin Kalitschke mit dem Leiter der münsterischen Spezialeinheiten, Kriminaloberrat Ralf Wagener (46).
Herr Wagener, wie sind Sie zu den Spezialeinheiten gekommen?
Wagener: Ich bin vor einigen Jahren angesprochen worden, eine leitende Funktion bei den Spezialeinheiten zu übernehmen. Das Aufgabenfeld reizte mich sofort, da man für besondere Einsatzlagen zuständig ist.
Was gehörte zu Ihren Aufgaben, bevor Sie die Leitungsfunktion übernahmen?
Wagener: Ich war unter anderem Mitglied eines Mobilen Einsatzkommandos (MEK), das unter anderem Observationen bei schwerer Kriminalität durchführt.
Was ist unter „schwerer Kriminalität“ zu verstehen?
Wagener: Zum Beispiel Rauschgift, Entführungen oder Erpressungen.
In den Fernseh-Krimis kommt das Observieren immer als sehr langweilige Aufgabe rüber.
Wagener: Das kann im Einzelfall durchaus langweilig sein. Aber in den meisten Fällen ist es spannend, wenn es gilt, durch Engagement und Kreativität das Unmögliche zu ermitteln. Außerdem ist es reizvoll, Verdächtige in ihrem Umfeld zu observieren.
Zum Beispiel?
Wagener: Im Rotlichtmilieu oder in Spielhöllen. Dort muss man sich natürlich so bewegen, dass man nicht auffällt.
Eine vermutlich nicht immer ganz ungefährliche Aufgabe.
Wagener: Ja sicher, Gefahren gibt es immer. Alle Spezialeinheiten gehen überwiegend gegen Verdächtige vor, die schwere Straftaten begangen haben. Ich unterteile sie gerne in zwei Gruppen: Die einen haben nur hohe Strafen zu erwarten. Die anderen sind gewaltbereit und somit auch gefährlich.
Kennen Sie Angst?
Wagener: Erfahrung mindert die Furchtsamkeit. Dennoch sollte die Angst nie verloren gehen. Wenn sie fehlt, macht das nur unvorsichtig. Eine professionelle, akribische Vorbereitung und eine gute Ausrüstung mindern jedoch das Gefahrenpotenzial.
Wie haben Sie selbst Spezialeinsätze erlebt?
Wagener: Festnahmesituationen sind immer mit großem Adrenalinausstoß verbunden.
Fühlt man nach der Festnahme eines Verdächtigen Genugtuung?
Wagener: Wir sind zufrieden, wenn die Durchführung einer Maßnahme wie zuvor geplant erfolgt. Ich bin daher jedes Mal froh, wenn ein Einsatz so zum Abschluss gebracht wird.
An welchen Einsatz erinnern Sie sich gerne?
Wagener: An eine Entführung in Ennepetal, bei der sich ein gefährlicher Täter mit mehreren Kindern in einem Keller verschanzt hatte. Ich war damals in der Zugriffsplanung. Ein Kind wurde leicht verletzt, alle anderen Kinder blieben unverletzt.
Und in Münster?
Wagener: Vor zwei Wochen wurden wir zur Santander-Bank gerufen, Verdacht auf Geiselnahme. Wir waren innerhalb von zehn Minuten komplett am Einsatzort. Das Ganze entpuppte sich dann jedoch als falscher Alarm, bewies allerdings unsere hohe Einsatzbereitschaft.
Waren Sie auch an Einsätzen beteiligt, die nicht so verliefen wie geplant?
Wagener: Nein, bislang hatten wir in Münster Glück.
Wie oft sind Ihre Spezialeinheiten im Einsatz?
Wagener: Unser Zuständigkeitsbereich reicht von der niedersächsischen Grenze bis Bottrop. Die Spezialeinsatzkommandos (SEK), die unter anderem für Zugriffe bei Entführungen oder Geiselnahmen zuständig sind, müssen etwa bei einem Drittel ihrer Dienstzeit raus, die mobilen Einsatzkommandos (MEK), die auch für Observationen zuständig sind, bei etwa drei Vierteln.
Was machen die Beamten, wenn kein Einsatz ansteht?
Wagener: Dann steht Fortbildung auf dem Programm.
Welche Voraussetzungen müssen Angehörige von Spezialeinheiten mitbringen?
Wagener: Eine gute Gesundheit und die Bereitschaft, kreativ in einem Team zu arbeiten, außerdem müssen sie sportlich sein.
Wie extrem sind Ihre Trainings?
Wagener: Vor einem halben Jahr nahmen wir an einer Übung teil, bei der eine Geiselnahme auf einem Rheinschiff im Mittelpunkt stand. Die Kollegen mussten sich unter anderem mit schwerem Gerät von einem Hubschrauber abseilen – bei Wind und Kälte.
Sind die Spezialeinheiten unter den Kollegen begehrt?
Wagener: Es wollen immer wieder viele Kollegen in die Spezialeinheiten. Im vergangenen Jahr wurden zehn für ein einjähriges Auswahlverfahren ausgewählt, am Ende bestanden drei.
Kommt es vor, dass Beamte die Spezialeinheiten wieder verlassen?
Wagener: Es gibt einzelne Fälle, wo Beamte sagen: Ich möchte nicht mehr dabei sein, insbesondere, weil sich mein familiäres Umfeld geändert hat. Da sind wir behilflich, ihnen einen anderen Job zu geben. Eine Spezialeinheit zu verlassen, ist nicht ehrenrührig.
Würden Sie Ihre Einheiten als „Elitetruppe“ bezeichnen?
Wagener: Mit dem Wort „Elite“ habe ich kein Problem. Das ergibt sich aus der Tatsache, dass unsere Beamten körperlich besser trainiert und für schwierige Lagen am besten ausgebildet und ausgerüstet sind.
Informationen zu den Spezialeinheiten NRW
Quelle Text und Foto: Mit freundlicher Genehmigung durch Herrn Martin Kalitschke | Redakteur Westfälische Nachrichten