Kiel – Im Kampf gegen die Rockerkriminalität greift Schleswig-Holstein mit Vereinsverboten hart durch. Nach monatelangen blutigen Auseinandersetzungen in dem Milieu verbot das Innenministerium die «Hells Angels MC Charter Flensburg» und die «Bandidos MC Probationary Chapter Neumünster».
«Die Vereine sind mit sofortiger Wirkung aufgelöst», sagte Innenminister Klaus Schlie (CDU) am Donnerstag in Kiel. Sie verstießen gegen die Strafgesetze und richteten sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Auch anderen Rockerclubs droht das Verbot.
Insgesamt 330 Polizisten – darunter ein Spezialeinsatzkommando – durchsuchten am Morgen zehn Wohnungen von Mitgliedern sowie Vereinsheime in und um Flensburg und Neumünster. Die Beamten stellten unter anderem Messer, Kutten, schriftliche Unterlagen, Computer, Äxte, Pistolenmunition, Schutzwesten und Kartons mit alkoholischen Getränken sicher. Zudem wurden 28 Bankkonten beschlagnahmt. Damit soll das Vermögen der Vereine festgestellt werden, um sie finanziell auszutrocknen. «Es gab keinen Widerstand», sagte der Einsatzleiter Joachim Gutt.
Schlie: Vereine wollen mit Waffengewalt Machtansprüche durchsetzen
Beide Vereine hätten den Zweck, «in einem bestimmten Gebiet kriminelle Macht zu entfalten und die Gebiets- und Machtansprüche gegen den jeweils anderen Verein mit Waffengewalt durchzusetzen», teilte das Innenministerium mit. «Es handelt sich nicht um harmlose Motorradclubs, deren Mitglieder sich zu friedlichen Wochenendausflügen treffen», sagte Schlie. Der unbescholtene freiheitsliebende Familienvater, der in seiner Freizeit Motorrad fährt, sei eine Legende aus der Öffentlichkeitsarbeit dieser Clubs.
Die Konflikte der verfeindeten Rocker hatten sich seit Herbst 2009 zugespitzt. Es kam zu Attacken mit Messern, Äxten und Schußwaffen, bei denen Menschen verletzt wurden. «Die Dramatik der Ereignisse hat unsere Erwartungen bei weitem übertroffen», sagte Gutt.
Weiteren Rockerclubs droht Verbot
Mit dem Verbot ihres Vereins in Neumünster verlieren die Bandidos ihre einzige Niederlassung in Schleswig-Holstein. Von den Hells Angels gibt es noch Gruppen in Alveslohe, Kiel und Lübeck. Auch ihnen droht ein Verbot. Es gebe keinen Raum mehr für Rockerkriminalität, sagte Schlie. «Wir kennen sie namentlich, wir beobachten sie, wir wissen über die Strukturen Bescheid. Es wird weitergehen.» Noch reichen die strengen Voraussetzungen für ein Verbot der anderen Clubs laut Innenministerium nicht aus. Bundesweit wurden bisher in Hamburg und in Düsseldorf Hell-Angels-Clubs verboten.
[slideshow id=16]Dem Flensburger Club der Höllenengel und dem Bandidos-Verein aus Neumünster ist ab sofort jede Tätigkeit untersagt. Die Kennzeichen der Vereine dürfen nicht mehr in der Öffentlichkeit verwendet oder verbreitet werden. 17 Mitglieder der Bandidos und 12 Mitglieder der Hells Angels erhielten am Donnerstag die Verbotsverfügungen.
Auf ihrer Internetseite kündigten die Bandidos Deutschland an, «alle zur Verfügung stehenden juristischen Mittel ausschöpfen um gegen das Verbot unseres Chapters Neumünster vorzugehen». Laut Innenministerium kann innerhalb von vier Wochen Widerspruch gegen das Verbot eingelegt werden. Trotz der Verbote schließen die Ermittler weitere gewalttätige Auseinandersetzungen im Rockermilieu nicht aus. Die Vereine seien zwar aufgelöst, die ehemaligen Mitglieder aber nach wie vor vorhanden, betonte Schlie. Außerdem dürfen die Rocker in andere, schon bestehende Organisationen eintreten.