Grafschaft Bentheim – Warten. Warten. Warten. Es ist 5.05 Uhr. Markus Tönsgerlemann sitzt hinter einer Tür mit einem roten Pappschild. „Einsatzleitung. Bitte nicht stören.“ Der Altenberger sitzt an einem Konferenztisch, von dem er einen ungewöhnlichen Einsatz leitet. In drei Stunden soll ein Spezialeinsatzkommando des Zolls einen Niederländer überwältigen. Der 42-Jährige gilt als dicker Fisch, ist aber nicht „der Kaiser“, wie Thomas Petersson von der Zollfahndung in Malmö sagt.
Dessen Behörde kontrollierte Mitte Februar einen Laster auf der Öresundbrücke. Dabei entdeckten die Fahnder in einem Reserverad 88 Kilo Haschisch und zehn Kilo Amphetamin mit einem Schwarzmarktwert von 770 000 Euro, wie der Zoll schätzt. Der Kopf der Drogenbande soll der 42-Jährige sein.
„Zugezogen, zurückgezogen, zurückhaltend“ beschreiben die emsländischen Nachbarn den Mann zugeknöpft. Mehr sagen sie über ihn nicht. Er soll die Drogen verpackt, den Lastwagen präpariert und auf die Reise geschickt haben. Dafür soll er heute vor den Haftrichter und nach dem Willen der Fahnder bis zu zehn Jahre ins Gefängnis. Weil die Schweden einen internationalen Haftbefehl erlassen haben, werden sie es auch sein, die ihn vor Gericht stellen.
Dafür schleichen und fahren draußen zig Zöllner durch die Grafschaft. Einige beobachten das Haus, hören das Telefon ab, orten das Handy, berichten Tönsgerlemann von jeder Lampe, die in dem Haus angeht. Am Montagabend ist die Zentrale Unterstützungsgruppe Zoll (ZUZ) angereist, eine Art GSG 9 des Zolls, die den Mann überwältigen soll und sich im Dunkeln versteckt. Ein paar Kilometer weiter warten Sachbearbeiter, die nach der Stürmung nach Drogen, Geld und Unterlagen suchen werden. Sie hoffen, dass sie der kleine Wirtschaftsweg in Osterwald bei Nordhorn auf die Spur der des „Kaisers“ bringt. Gleichzeitig durchsuchen Zöllner mehrere Wohnungen und Geschäftsräume in Deutschland und den Niederlanden.
Bis halb neun bleibt auf dem Wirtschaftsweg „Koppeldiek“ alles dunkel. Entsprechend ruhig ist es in der Einsatzleitung. Tönsgerlemann, ehemalige CDU-Vorsitzende in Altenberge, hat Zeit für einen Kaffee und eine Zeitung. Draußen schüttet es, seine Leute hocken in ihren Autos, wenn sie nicht frierend und fluchend mit ihren Zigaretten im Regen stehen.
Jede halbe Stunde bellt das Funkgerät: „Alles beim Alten.“ Der Regen macht Tönsgerlemanns Wünsche zunichte. Der Altenberger weiß, dass der Verdächtige eine Waffe haben könnte, morgens gerne mit den Hunden herausgeht, Brötchen oder die Zeitung kaufen geht. Wäre schön, wenn er das auch heute machen würde. „Dann könnten wir ihn draußen festnehmen.“ Für die Männer von der ZUZ ist es leichter, ihn zu überwältigen, wenn keine Waffen in der Nähe sind und wenn sie ihn nicht in unbekanntem Gelände überwältigen müssen. Aber bei dem Wetter?
Die Zöllner machen sich bereit für Plan B. Kommt der Mann nicht freiwillig, wollen sie als Pferdehändler getarnt vor das Haus fahren, hupen und so tun, als ob sie sich verfahren haben. Plötzlich eine SMS: „Ich bin gleich da, hast Du den Kaffee fertig?“, lesen die Beamten auf dem abgehörten Handy. Die Freundin kündigt ihren Besuch an. Damit sie nicht dazwischenfunkt, greifen die Männer vom ZUZ erst in die Trickkiste und dann zu: Schlaftrunken kommt der Verdächtige aus dem Haus, fragt, ob er helfen kann. Als ob die Sonne neugierig wäre, bricht sie durch die Wolken. Bestes Zugriffswetter. Plötzlich packt einer der Zollfahnder den Holländer von hinten und hebelt ihn mit einem Drehgriff auf den Boden. „Wurde langgemacht“ flüstert das Funkgerät. „Den Griff können sogar unsere Sachbearbeiter“, sagt Tönsgerlemann nachher.
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Mit freundlicher Genehmigung ©Westfälische Nachrichten
Es läuft alles so wie geplant. Nur der Kreislauf des Verdächtigen überrascht die Zollbeamten. Der Mann muss ins Krankenhaus. „So eine Festnahme ist für viele ein Schock“, sagt der Polizeiführer. Wenn der Festgenommene hört, dass die Beamten in seinem Haus die 10 000 Euro in bar, das Gramm Kokain und schriftliche Unterlagen finden, wird der Schreck nicht kleiner werden.
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