Berlin / Frankfurt / Trier / Nürnberg | Kritiker halten sie für „tödliche Foltergeräte“ zur exzessiven Gewaltanwendung durch Polizeibeamte, Befürworter sehen in den Geräten eine „nichtletale Waffe“ zur Überwältigung des unkontrollierbaren polizeilichen Gegenübers: Die Rede ist von Distanzelektroimpulsgeräten (DEIG) – umgangssprachlich TASER. Elektroimpulsgeräte ermöglichen der Polizei, aus der Distanz heraus auf eine Person einzuwirken. Die sofort einsetzende Bewegungsunfähigkeit verhindert, dass die Person sich selbst, anderen Personen oder den einschreitenden Polizeibeamtinnen und -beamten Schaden zufügen kann (z.B. Abwehr des Angriffs einer Person mit höchster Gewaltbereitschaft).


Bis zum Jahresanfang 2017 kam die Elektroimpulswaffe „Taser“ nur bei den Spezialeinheiten der deutschen Polizei zum Einsatz. Jeglicher Gebrauch des Tasers wird protokolliert und an das Polizeitechnische Institut (Pti) an der Deutschen Polizei Hochschule (DHPol) in Münster übermittelt. Dort wird eine genaue Statistik über Einsatz und Funktionalität geführt. Wie SEK-Einsatz.de auf Anfrage mitgeteilt wurde, kam der TASER innerhalb der Spezialeinheiten in den Jahren 2006 – Juli 2015 insgesamt 410 Mal zum Einsatz. In 85% der Fälle war das Gerät stets zuverlässig sowie wirksam und die Personen konnten problemlos überwältigt werden. Bei den anderen 15% handelte es sich z. B. um Fehlschüsse oder anderen einsatzbedingten Abweichungen. Um die Wirksamkeit dieses Einsatzmittels nicht zu gefährden, können weitere Einzelheiten nicht veröffentlicht werden.
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Polizei Bayern testet Taser im Polizeialltag

Nachdem die Polizei der Bundeshauptstadt mit einem Pilotversuch im Februar 2017 auf zwei Abschnitten startete – wir berichteten -, folgten die Bundesländer Rheinland-Pfalz und Hessen. Ab kommender Woche wird nun auch die bayerische Polizei die Nutzung der Distanzelektroimpulsgeräte im Rahmen eines Pilotversuches außerhalb des Spezialeinsatzkommandos (SEK) ausweiten. Wie der bayerische Innenminister Joachim Hermann (CSU) ankündigte, werden weitere Einsatzeinheiten mit dem Taser ausgestattet. Eine Ausrüstung des Wach- und Streifendienstes soll es zunächst nach Angaben von Hermann jedoch nicht geben. „Seit 2006 werden Distanz-Elektroimpulsgeräte, auch ‚Taser‘ genannt, bei den Spezialeinsatzkommandos der Bayerischen Polizei im Probebetrieb eingesetzt. In allen bislang rund 40 Fällen hat sich der Taser bewährt. Aufgrund der positiven Erfahrungen hat das bayerische Innenministerium eine Expertengruppe der Bayerischen Polizei eingesetzt, die sich in den letzten Monaten intensiv mit einer Ausweitung der Nutzung des Tasers beschäftigt hat“, heißt es aus dem bayerischen Ministerium. „Der Taser wird auch in Zukunft nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen und bei geeigneten Einsatzlagen zum Einsatz kommen“, erklärte Herrmann im Vorfeld.
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Polizeigewerkschaften begrüßen Einführung – Amnesty berichtet von 700 Toten
Während die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) die Nutzung des Einsatzmittel Taser bereits seit vielen Jahren begrüßt, schließen sich dieser Meinung auch immer mehr GdP Anhänger an und fordern die Einführung. Hingegen mahnt Amnesty International in seinem US Jahresbericht für 2016, dass „in 17 US-Bundesstaaten mindestens 21 Menschen nach Polizeieinsätzen mit Elektroschockwaffen gestorben“ und die Zahl seit 2001 durch Taser getötete Personen auf mindestens 700 gestiegen sei. Weiterhin teilt die Menschenrechtsorganisation mit, ohne auf eine belegbare Statistik, …“die meisten Opfer waren unbewaffnet und schienen zum Zeitpunkt des Einsatzes von Elektroschockwaffen keine ernste oder gar tödliche Bedrohung dargestellt zu haben.“ Amnesty beruht sich bei den Zahlen auf selbst dokumentierte Medienberichte.
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Erstes positives Fazit in Berlin und Trier
Wie Berlins Polizeisprecher Thomas Neuendorf bereits Ende Juni auf Nachfrage von SEK-Einsatz.de mitteilte, gab es im Rahmen des andauernden Probelaufes insgesamt vier erfolgreiche Tasereinsätze, bei dem weder Einsatzkräfte noch Gegenüber verletzt wurden. Auch aus dem Polizeipräsidium Trier liegt nun ein erster Zwischenbericht vor. Darin heißt es: …“Zwischen dem 6. März und dem 30. September kam das DEIG in 18 Fällen zum Einsatz, wovon zwölfmal die bloße Androhung reichte, um Täter zur Aufgabe zu bringen. In vier Fällen mussten die Einsatzkräfte aus der Distanz auf Gewalttäter schießen und in zwei weiteren Fällen wendeten die Beamten den Taser im „Körperkontaktmodus“ an. Alle Getroffenen wiesen lediglich Eintrittsstellen der Pfeile oder leichte Rötungen auf und konnten binnen Sekunden schonend überwältigt werden.“

Auch der Trierer Polizeipräsident Rudolf Berg erklärte, dass seine Beamtinnen und Beamten etliche Konflikte hätten schlichten können, ohne auf den Schlagstock oder Pfefferspray zurückgreifen zu müssen. Ganze Gruppen, die mit Angreifern sympathisierten, hielten sich mehr zurück und bedrängten die Einsatzkräfte weniger. „Zum jetzigen Zeitpunkt können wir davon ausgehen, dass das Gerät zur Verhinderung gewalttätiger Einsatzverläufe beitragen und somit Verletzungen auf beiden Seiten vermeiden kann“, erklärte der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD).