Hamburg / Köln | Nach den zahlreichen Straftaten wie Raub- und Diebstahlsdelikten sowie sexuellen Belästigungen gegenüber Frauen in Köln und Hamburg arbeitet die Polizei mit Hochdruck an der Aufklärung der massiven Übergriffe. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am Nachmittag mit der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker über die Straftaten in der Silvesternacht im Umfeld des Kölner Hauptbahnhofs gesprochen.
27 Strafanzeigen in Hamburg
„Zum jetzigen Zeitpunkt sind beim zuständigen Landeskriminalamt 27 Strafanzeigen für die Silvesternacht eingegangen, bei denen eine sexuelle Belästigung begangen wurde oder Teil der Tathandlung war. Von diesen Fällen sind 10 Taten nach jetzigem Ermittlungsstand ausschließlich als sexuelle Belästigung zu bewerten, in 17 Fällen wurden den Opfern zudem Geldbörse, Papiere, Bargeld und/oder Smartphone gestohlen“, teilte die Polizei Hamburg am späten Dienstagnachmittag mit.
In der Silvesternacht wurden in Hamburg-St. Pauli ähnlich wie in Köln junge Frauen beraubt oder bestohlen. Dabei wurden die Frauen im Alter von 18-24 von den Tätern zunächst sexuell belästigt. Anschließend stellten die sie fest, dass ihnen Geldbörsen, Papiere, Bargeld und/oder Smartphones gestohlen worden waren.
Nach den bisherigen Erkenntnissen der Polizei Hamburg sollen die Opfer im Gedränge zum Teil gleichzeitig von mehreren Männern in unterschiedlicher Gruppengröße mit südländischem oder arabischem Aussehen angegangen worden sein.
Aktuell 50 Hinweise: Weitere Zeugen gesucht
Die Polizei Hamburg sucht weiterhin Zeugen, die Hinweise auf Täter geben können, die in der Silvesternacht Frauen beraubt, bestohlen oder sexuell belästigt haben. Bislang liegen etwa 50 Hinweise vor, die derzeit ausgewertet werden. Zeugen, aber insbesondere auch mögliche Opfer werden gebeten, sich bei der Polizei Hamburg unter der Rufnummer 040 / 4286-56789 zu melden.
Kanzlerin empört über widerwertige Übergriffe
Wie der Sprecher der Bundesregierung Steffen Seibert heute mitteilte, sei Kanzlerin Merkel empört über die widerwärtigen Übergriffe und sexuellen Attacken, die nach einer harten Antwort des Rechtsstaats verlangen. „Es müsse alles daran gesetzt werden, die Schuldigen so schnell und so vollständig wie möglich zu ermitteln und ohne Ansehen ihrer Herkunft oder ihres Hintergrundes zu bestrafen.“
Die Bundeskanzlerin ließ sich von der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker über die Ergebnisse des heutigen Krisentreffens von Polizei und städtischen Behörden berichten.
Auch mit Bundesinnenminister de Maizière steht die Bundeskanzlerin in engem Kontakt und lässt sich über die Ermittlungsarbeiten informieren, hieß es von Seibert.
Kölns Polizeipräsident Albers entschuldigt sich
Am Nachmittag fand in Köln eine weitere Pressekonferenz nach einem Krisentreffen der Oberbürgermeisterin Henriette Reker, Kölns Polizeipräsidenten Wolgang Albers und dem Präsidenten der Bundespolizeidirektion Sankt Augustin Wolfgang Wurm zu den massiven Übergriffen statt.
„Was in der Silvesternacht geschehen sei untolerierbar“, so Reker. Besonders im Hinblick auf den Karneval wird es zukünftig in Köln bei allen Großveranstaltungen ein spezielles Sicherheitskonzept geben, ähnlich wie bei Fußballspielen oder Demonstrationen. Dazu soll die Polizeipräsenz im Vergleich zum Vorjahr deutlich erhöht werden und außerdem mobile Videoüberwachung geben, erklärte Albers auf der PK.
Auch entschuldigte sich der Polizeipräsident für die erste Pressemitteilung am Neujahrsmorgen, in der es hieß: „Ausgelassene Stimmung – Feiern weitgehend friedlich“. „Dieses sei falsch gewesen. Den vollen Umfang der Übergriffe sei der Polizei erst an Neujahr klar geworden“, gab Albers heute in Köln zu.
Weitere Zeugen und Opfer sollen sich melden
Wolgang Albers fordert noch einmal alle Betroffenen und Zeugen auf, sich bei der Polizei zu melden. Weitere Opfer sollen zeitnah Strafanzeige erstatten. Passanten, die Straftaten beobachtet oder sogar auf Handyvideos aufgezeichnet haben, werden gebeten, sich umgehend zu melden. Hinweise werden erbeten unter Tel.-Nr. 0221/229-0 oder per E-Mail auf poststelle.koeln@polizei.nrw.de
Die Anzahl der Strafanzeigen hat sich mittlerweile auf 90 erhöht. Die Polizei Köln hatte bereits am Samstag (2. Januar) speziell für diese Straftaten eine Ermittlungsgruppe eingerichtet. Die Deliktsbreite erstreckt sich von Diebstählen bis hin zu Sexualdelikten. In einem Fall ermitteln die zuständigen Kriminalbeamten wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung.
Derzeit sichten die Beamten das vorhandene Videomaterial und werten die vorliegenden Aufzeichnungen aus. Weiterhin laufen die Vernehmungen von Geschädigten und Zeugen. „Wir werden alles dafür tun, diese schrecklichen Übergriffe aufzuklären. Wir passen unsere Einsatzkonzepte an diese neue Vorgehensweise der Täter an“, stellt Polizeipräsident Wolfgang Albers klar.
Fakten zum Einsatzverlauf in Köln:
31.12.2015 – 21 Uhr: Auf dem Bahnhofsvorplatz und der Domtreppe befinden sich bereits 400 – 500 augenscheinlich alkoholisierte Personen, die durch aggressives Verhalten auffallen. Es handelt sich in der Mehrzahl um Männer, die unkontrolliert Böller und Raketen abbrennen und diese zum Teil gegen Unbeteiligte einsetzen.
31.12.2015 – 23 Uhr: Die genannte Menschenmenge ist auf über tausend Menschen angewachsen. Es handelt sich bei den Anwesenden größtenteils um Männer, die unter anderem durch Alkoholkonsum bereits enthemmt sind. Das Abbrennen von Feuerwerkskörpern nimmt immer mehr zu. Raketen werden häufig absichtlich in die Menge geschossen. Die Stimmung wird zunehmend aggressiver.
31.12.2015 – 23.30 Uhr: Aus Sicherheitsgründen räumen Beamtinnen und Beamte der Polizei Köln und der Bundespolizei die Domtreppe und den Bahnhofsvorplatz. Durch das konsequente Einschreiten der Polizisten werden Personengruppen aufgebrochen, die Situation beruhigt sich zunehmend.
1.1.2016 – 0.45 Uhr: Um den Abreiseverkehr zu gewährleisten, gibt die Polizei den Zugang zum Hauptbahnhof wieder frei. Als die Platzfläche sich erneut füllt, verhält sich die Masse der anwesenden Personen ruhig. Erste geschädigte Frauen erstatten Strafanzeige wegen Diebstahlsdelikten und schildern teilweise auch sexuelle Übergriffe. Die Polizei passt das Einsatzkonzept sofort an und konzentriert Einsatzkräfte erneut im Bereich des Hauptbahnhofs. Passantinnen werden gewarnt und von Beamtinnen und Beamten sicher durch die Menschenmenge begleitet. Bei aggressiven und auffälligen Personen werden Gefährderansprachen und Identitätsfeststellungen durchgeführt. Platzverweise werden ausgesprochen.
1.1.2016 – 4 Uhr: Die Lage hat sich abschließend beruhigt.
Verhaltenskodex für junge Frauen
Die Stadt Köln will für junge Frauen einen Verhaltenskodex für die Karnevalszeit herausgeben. So sollen sie auch an Karneval beruhigt und sicher feiern können.
Im Zusammenhang mit den geschilderten Geschehnissen rät die Kriminalpolizei Köln:
- Bereiten Sie sich gedanklich auf mögliche Situationen in großen Menschenmengen vor.
- Stellen sie Öffentlichkeit her und sorgen Sie für Aufmerksamkeit, wenn Sie in Not sind.
- Fordern Sie Hilfe aktiv ein und sprechen Sie Passanten gezielt an.
- Unterstützen Sie Menschen die in Not sind und wählen Sie zeitnah den Polizeinotruf 110